gg 1800—1810.
Hier finden wir das Bedürfnis der Romantik, fortwährendetwas zu erleben, vereint mit Goethes Kunst, das einfachsteEreignis zum Erlebuis umzugestalten. Mindestens gilt das fürihre blühendste Zeit; später hat sie wohl auch durch Bizarrerienachgeholfen; aber in den drei schönen Briefbüchern stört kaum jedergleichen. Goethe sah auf seiner dritten Schweizerreise einenAvfelbaum, mit Epheu umwunden — und daraus entstand ihmdie schöne Elegie „Amyntas". Weder Arnim noch Brentano hättenein leises Wort der Natur so aufgefaßt, aber vielleicht Bettina.
Etwas von dieser Vertrautheit mit der Natur hat auch dergrößte Lyriker der jüngeren Romantik, Joseph von Eichendorff (1788—1857). Wie die meisten Glieder der Romantik verrät auchEichendorff fchon iu der äußeren Erscheinung seine Eigenart. Arnimuud Brentano sind ebenso schön, wie E. Th. A. Hoffmann nnd be-sonders Zacharias Werner fratzenhaft häßlich sind; durchgebildete Köpfevoll Geift und Leben haben sie alle. Eichendorff trägt auf hoherFigur den ernsten runden Kopf eines höheren katholischen Geist-lichen; und eine Domherrennatur möchte ich ihu am liebsten nennen,wenn er auch glücklicher Gatte und liebevoller Familienvater ge-wesen ist. Frömmigkeit und behaglicher Lebensgenuß, Treue imAmt und eine stille Liebe zum seligen Hinträumen, entschiedensterStandpunkt in Prinzipienfragen bei liebenswürdigster Verträglichkeitmit den Menschen — das macht so recht das Bild eines jenerprächtigen alten Domherren aus, die dem Deutschland der geist-lichen Fürstentümer sein charakteristisches Gepräge geben halfen.Und Eichendorff ist immer im Dom, immer im Gottesdienst, woer mit seiner weithin tönenden Stimme Gott dem Herrn Liedersingt. Wohl versteht er es nicht, wie Bettina, auch das gewöhn-liche Leben mit Poesie zu übergolden; aber wo er poetische Stimmungfindet, da bemächtigt er sich ihrer noch intensiver als sie: „SeligHerze, das in kühnen Bildern ewig sich die Schönheit hält." lindpoetische Stimmung findet er überall, wo sie der Mensch mit seinemLärmen nicht verscheucht. „Ich aber warf mich in das tiefste Grasund sah stundenlang zn, wie Wolken über die schwüle Gegend weg-zogen. Die Gräser und Blnmen schwankten leise hin nnd her übermir, als wollten sie seltsame Träume weben, die Bieneu dazwischenso sommerhaft und in einem fort — ach! das ist alles wie einMeer von Stille, in dem das Herz vor Wehmut untergehen möchte!"Das ist die Grnndstimmung dieses geborenen Lyrikers. Freilich