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1810-1820,
übertreibt." Welcher Mensch, der etwa eine große Nase hat, wirdbei dem ähnlichsten Porträt nicht zuerst ebenso urteilen?
Die Attribute der Gestalten sind nicht gesuchte „Symbole",sondern sie sind menschliche Hilfsmittel von märchenhaft gesteigerterKraft: die Fackel, durch deren Schwingen der Dichter allesin verschöntem Anblick zeigen kann, ist nur die Steigerung einesBnhncnreauisits. Ebenso verdanken seine Allegorien ihre unver-gleichliche Lebenskraft der poetischen Kuust, mit der der Dichtereinfach seine Anschauungen verkörpert. Im „Bauer als Millionär"kommt die Jugend als ein prächtiger Mensch, „hundSjuug und geiß-närrisch", rosenrot hereingehüpft; das Alter in der Pelzschlafhaubespricht mühsam nnd verdrossen. Der Neid in demselben Stück(von dem Wurzel in der wundervoll epigrammatischen Wenduugspricht: „Kurz, er wär' der Neid, und wollt' mich glücklich machen")läßt in seiner lebendigen Individualisierung den Namen „Allegorie"so wenig zu wie Calderons geistreiche Personifikationen in seinengeistlichen „Autos".
Ähnlich steht es mit der Art, wie diese Zaubermächte in Be-wegung gesetzt werden. Es war ungefähr von 1810—30 ein vielbe-liebtes Spiel in der gebildeten Gesellschaft, Charaden und Sprichwörteraufzuführen. Vvn da dringt die Mode in die Poesie. Wir sagenetwa sprichwörtlich: „Zwischen LiPP- und Kelchesrand —"; Grillparzer im „Traum ein Leben" läßt das wörtlich Wahrheit werden. Genauso sind die Zanberthaten bei Raimund in der Regel nur ins Lebenumgesetzte Metaphern. Wurzel, der Millionärbauer, wird „vouder Jugend verlassen" uud „vou der Hand des Alters niederge-drückt"; der Verschwender ist bereit, ein Jahr aus seinem Lebeuhinzugeben — und nun tritt dies Jahr, eine wundervolle Erfindung,als Bettler vor ihn. Aber jene Metaphern drücken doch eben selbstnur in bildlich-summarischer Weise eine Erfahrung aus, die beiRaimuud wieder in ihre volle ursprüngliche Auschauuug zurück-kehrt, lind wie nun Wurzel mit wehmütigem Humor schildert,was für ein schlimmer Korporal die Zeit sei, wie ist da jedes Wortpoetische Versinnbildlichung!
Raimund faßt also die Zauberwelt ganz menschlich auf; odervielmehr er läßt ihre Gesetze von deneu unserer Welt nur durchdie raschere Wirkung über Raum und Zeit verschieden sein. Derhier sonst langsam zusammeusiukt, bricht uun bei einer Berührungdes Alters zusammen und wird „ein Aschen"; in einem Augenblick