sein wollte; und indem er das Schlichte verachtete, entglitt ihmdas Große.
Diese beständige Anspannung, diese Jagd nach dem feierlichenMoment verrät sich schon in den Physiognomien. Mit der Zeitder rnhig-vornehmen Dichtergesichter, Chamissos , Uhlands, Rückerts,geht es zu Ende wie mit der der klassisch schönen Poetenköpfe,Arnim, Brentano, Novalis . Eine neue Physiognomie tritt auf,unruhig arbeitende, von innerer Anstrengung durchfurchte Gesichter^Heine, Grabbe, Hebbel. Übergroße Stiruen, tiefe Augen werdenzum Merkmal des Dichterkopfes wie vorher die malerische Unord-nung der Haare uud die kühn geschlungene Halsbinde a 1a Byron.Die Poeten lassen sich in tiefem Sinnen abkonterfeien, das gedanken-schwere Haupt auf deu Arm gestützt oder doch nachdenklich gesenkt;so ruhig wie Chamisso, Nückert, Fonquö, Arudt sitzt keiner mehrauf seinem Stuhl, den Beschauer gemütlich anblickend oder ver-gessend. Es giebt keine naiven Dichter mehr. Nur vereinzeltlaucht noch ein Poet auf, der wie Mörike und (teilweise wenigstens)wie Freiligrath die alte Unbefangenheit der Kerner und Eicheu-dorff, der Raimnnd und Rückert besitzt und beim Dichten vergißt,daß es ein Publikum giebt. Die schreckliche Rechenkunst, durch dieder mit Wortwitzen und fader Sentimentalität arbeitende Saphir(1795—1858) wahre Triumphe feiern konnte, bedeutet nur dasExtrem einer in der ganzen Litteratur liegenden Krankheit, undGntzkow hat hundertmal mehr von seiner Absichtlichkeit, als gut war.
Berechueud, tendenziös ist anch die Gruppe der orthodoxenRomanschriftsteller. Wir nehmen sie hier trotz des zeitlich ver-schiedenen Auftretens ihrer Theilhaber als eine Einheit. Geistlicheversuchen der weltlichen Litteratur deu Wind aus den Segeln zunehmen, wie einst in der altdeutschen und mittelhochdeutschen ZeitOtfrid vou Weißeuburg und Heinrich von Melk ihre Erbauungs-poesie gegen die „unsittliche Laiendichtuug" gestellt hatten.
I. Chr. Biernatzki (1795—1840) ist ein entschiedenes Talent.Er ist nicht, wie der orthodoxere Meinhold uud der reaktionäreBitzius, vor allem Polemiker, souderu mehr auf Positive Erbauuuggerichtet. Als Pfarrer auf eiuer kleiueu Nordseeiusel mit fünfzigEinwohnern erlebte er die furchtbare Überschwemmung des Jahres1825, die Kirche und Pfarrhans verschlang und nur den altengoldenen Abeudmahlskelch von 1549 übrig ließ. Dies Erlebnismachte ihn zum Dichter. Er schloß sich älteren theologischen Roman-