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hold geborene August Hagen (1797—1880), Kunsthistoriker undNovellist zugleich, schon zehn Jahre früher iu seinen „Norica" (1827)erdichtete nürnbergische Künstlergeschichten als historisch ausgegeben;und Wilibald Alexis, nur ein Jahr jünger, ließ 1823 garseinen Roman „Walladmor" für ein Werk W. Scotts ausgeben.Noch W. Wackernagel (1806—1868) mystificierte seine Freundemit nachgemachten mittelhochdeutschen Gedichten. Das lag in derLiebhaberei der Zeit. Meinhold sehnte sich nach stärker fühlenden,stärker bewegten Zeiten; nach aufregenden Erlebnissen dürstete erwie Sealsfield . Ihm konnte, als er der Gegenwart den Rückenkehrte, die idyllische Ruhe der Hallig au der Nordsee nicht genügen,noch weniger die Schlichtheit altchristlicher Vorzeit, in die nachHerders und Goethes Vorbild sein Amtsbruder Ludwig TheobulKosegarten (1758—1818) mit der Nacherzählung alter Legenden(1804) gewandert war. Die wildeste Seite der blutigsten Zeit suchteMeinhold sich aus. Keiu Wunder, daß die nach „Emotionen"hungernde Zeit das aufregende Buch mit Jubel aufnahm, daß eseine englische Lady übersetzte, Heinrich Laube es dramatisierte. KeinWunder auch, daß die nach stärkster „Suggestion" verlangende Kritikdes jüngsten Englands den vergessenen Autor wiederentdeckt unddie „Bernsteinhexe" für den einzigen deutschen Roman erklärt hat.Wirkungsvoll ist das Buch allerdings, die düstere Stimmung derPersonen, die unheimliche Freude am Grauenhaften, die Selbst-betäubung in der Grausamkeit sind mit großer psychologischer Wahr-heit gemalt. In feineren Kunstwerken haben Theodor Storm ,Gottfried Keller uud andere den Chronikenton des 17. Jahr-hunderts nachgebildet; aber die innere Verwandtschaft mit den Geist-lichen des dreißigjährigen Krieges giebt Meinhold einen Vorsprnngvor ihnen. Freilich gelang ihm auch nur dies eine Werk. Er ahmtesich selbst (1847) in „Sidonia v. Bork, die Klosterhexe" nach undstarb über einem Roman aus der Reformationszeit, der stark ka-tholisierte. Das entsprach der romantischen Feindschaft feiner Zeitgegen allen Rationalismus.
Aus dieser Stimmung erwächst auch das Schaffen des größtenVertreters der tendenziös-reaktionären Litteratur. JeremiasGotthelf ist kein Halbtalent, dem aus Zufall einmal ein Werkgelingt; er ist im Gegenteil eine so starke Begabung, wie wir wenigein der Geschichte uuserer Litteratur zu nennen haben. Über hundertelegante Macher ragt die knorrige Riesengestalt des Schweizer Pfarr-