JeremuiS Gotthelf.
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sie schädigt: schlimmer bei Gutzkow als bei Meiuhold, schlimmer beiBitzius als bei Gutzkow .
Albert Bitzius (1797—1854), am 4. Oktober 1797 iu derberühmten Siegesstadt Murteu geboren, war von 1832 bis zuseinem Tode am 22. Oktober 1854 Psarrer zu Lützelflüh im KantonBern. Er war fast vierzig Jahre alt, als er zur Feder griff, umseine geistlich-Pädagogische Wirksamkeit zu erweitern; und diesemspäten Beginn folgte eine rasche Produktiv«. 1841 erschien seinbedeutendstes Werk: „Uli der Knecht", 1850 G. Kellers Liebling,die kleine Erzählung „Elfi, die seltsame Magd", 1852 die besonderscharakteristische Schrift „Zeitgeist und Berner Geist". Eine Ent-wickelung ist in seinen zahlreichen Büchern kaum wahrzunehmen,höchstens eine eigensinnige Steigerung der Schwächen und Unarten;ebensowenig hat aber die rasche Produktion der Kraft und Sicher-heit seiner Darstellung in den letzten Werken etwas genommen.
Jeremias Gotthels, wie Bitzius sich als Schriftsteller nannte,hat der Neigung der Zeit zum Maskeuspiel nur mit diesem lebens-länglich durchgeführten nom 6e Auerrs nachgegeben, ohne übrigensseine bürgerliche Stellung, Namen und Heimat je verbergen zuwollen. Er giebt sich durch und durch wie er ist: als Schweizer und zwar als Altberner, als Pfarrherr und zwar als strengerOrthodoxer, als Volkspädagog nnd zwar als radikal reaktionär. Jaer giebt sich viel mehr als nötig selbst; er tritt viel zu stark mitseiner Persönlichkeit, seinen Fignrcn ins Licht.
Vermöchte man nnr diese unerträglichen Zwischenreden, diesekrassen Kontrastfiguren, diese grell unkünstlerischen Bestrafungen derliberalen Gottesleugner, die verarmen, nnd Belohnungen der konser-vativen Gläubige», die reich heiraten, aus den Werken zu streichen!Die kunstlose Komposition wäre schon zu ertragen. Keller schriebsie eiucm „herben puritanischen Barbarismus" zu, „welcher dieKlarheit uud Handlichkeit geläuterter Schönheit verwarf". Gewißlag einige Absichtlichkeit auch in diesem Gegensatz zu der Technikder ihm verhaßten Schriftsteller, gerade wie der herbe Realismusalle Schöumalerci Lügen strasen sollte. Vor allem aber schadete hierdoch ein wirklicher Mangel an Kunstverständnis. Gerade auch inGotthelfs eigenem Sinue hätten ja doch die Geschichten noch vielstärker uud sicherer wirken müssen, wäre die Tendenz nicht so auf-dringlich hervorgetreten. Ihm aber war die Ehrlichkeit des unauf-hörlichen Bekennens viel wichtiger als alle Kuust. Die Zeit war