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1820-1830.
Vergleichen, dem er auch in der tiefen Schattierung der Bösewichterähnelt; aber in der Erfassung eines großen historischen oder ethno-graphischen Hintergrundes überragt er ihn. Der „Jude" (1827),der zur Zeit des Konstanzer Konzils spielt, steht hinter Meinholds„Bernsteinhexe" kaum zurück, der „Jesuit " (1829) darf sich mitSchilderungen nach Paraguay, in die später von Sealsfield so glän-zend geschilderten Gegenden wagen, obwohl der Verfasser Deutsch-land und die Schweiz nie verlassen hat. In der Verwendung alterromanhafter Motive ist er sorglos; seine kräftige Anschauung, seineflotte Erfindung weiß doch stets neues Leben hervorzuzaubern, mögendie Dekorationsstücke noch so alt sein. Eine ganze Reihe gleich pro-duktiver, gleich anspruchsloser, aber nicht so begabter Erzählerschließt sich an: Karl Aug. v. Witzleben (1773—1839), der als„August v. Tromlitz" schrieb, ein Weimaraner; Franz van derVelde (1779—1824), wieder ein Vreslauer; der unerschöpfliche,gezierte Hannoveraner Wilhelm Blumeuhagen (1781—1839), derfeinere Heinrich Smidt (1798—1867) aus Altona . Dann aberkommt, weitaus der Bedeutendste, Willibald Alexis (1798-1871).Bon Schriftstellerinnen ist besonders Henriette Paalzow (1788—1847) zu nennen, deren Roman „Samte Noche" (1839) besondersauch wegen seiner moralisch-liberalen Tendenz großen Beifall fand.Auch an Rehfues ist hier nochmals zu erinnern, und dem schwä-bischen Vorläufer entspricht als letztes Glied dieser Kette wiederein Schwabe, W. Hauff . Fast jedes von diesen leichten Talentensucht sich mit der Zeit eine besondere Domäne für seine histo-rischen oder ethnologischen Romane ans: van der Velde Schwedenund Norwegen, Tromlitz das Deutschland des dreißigjährigen Krieges,Smidt den Seeroman und, eine neue Spezialität, die Schauspieler-novelle („Devrient-Novellen" 1852), Willibald Alexis die GeschichteBrandenburg-Preußens .
Etwa von 1821—1850 fließt diese breite Masse leichter, abergewandter Erzählungslitteratur, dann setzt mit den „Rittern vomGeist" (1850) ejn Roman von neuen Ansprüchen ein und mitStorms „Jmmensee" (1852) eine ganz anders geartete, lyrischeNovelle. Jenes Menschenalter aber hat an lesbarem Erzählungsstoffmehr gebracht als fast die ganze übrige neuere deutsche Litteratur.Man wird kaum eine dieser Geschichten mehrmals lesen — WillibaldAlexis' und etwa noch Holteis beste Schriften ausgenommen; einmalwird man sie nie ohne Vergnügen lesen. Sie haben sast alle etwas