Jmmermann und Plntcn.
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Kreises, wußte die Teilnahme des Publikums für seine Auffüh-rungen Shakespeares, Calderons , Goethes, Tiecks zu gewiunen —freilich nur eine Zeitlang. Bei eigenen Arbeiten war dem Dichterdas Verständnis für das Verhältnis zwischen Form uud Gehaltbis zum völligen Vergreifen versagt. Was wir bei Grillparzers Lyrikbemerkten, eine völlige Taubheit gegen den Charakter metrischerFormen, das dringt bei Jmmermann selbst in das Drama; er läßtetwa im „Alexis" die harten, kalten russischen Großen in denweichsten Strophenformen reden. Seine eigenen Gedichte macht dieseStumpfheit fast unerträglich. Er ist hier der reine Bureaukrat;er befiehlt seinen Gedanken, daß sie eine bestimmte Uniform an-legen, und sie haben sich damit abzufinden; aber sie empören sichalle Augenblicke. Und derselbe Mann beweist nun das feinste Stil-gefühl, wenn es gilt, Goethes „Stella" oder ein Stück von Calderon einzustudieren und zn Meenieren! So viel näher lag dieser Gene-ration noch die Bühne als das eigene Leben; so wahr ist Grill-parzers Urteil über Tieck nnd seine Freunde gewesen: wenn sieShakespeare als Brille aussetzten, könnten sie trefflich sehen, sonstseien sie aber blind.
Mit Jmmermann teilt sein berühmter Gegner Platen (1796bis 1835) den Mangel an unmittelbarem Formgesühl. Es ist dieserMangel der ganzen Epoche vielleicht das Einzige, was die Antipodenals Dichter gemein haben; als Menschen teilen sie die stolze Selb-ständigkeit — und ihre Folge, die Einsamkeit, das Vcrkanntmerden.An Platen hat die deutsche Nation immer noch eine Schuld zusühucu: sie mnß endlich das Bild des „eiskalten Verseschmiedes"beiseite stellen und deu Märtyrer seines Knnstideals in die ihmgebührenden Ehren einsetzen.
August Graf vvn Platen ist (24. Okt. 1796) in Ausbach geboren. Wie Annette v. Troste gehörte er einem vornehmen, aberunvermögenden Geschlecht an; aber wenn sie im Gehege alter Tra-ditionen zn entschieden konservativer Gesinnung aufwuchs, ist erdurchaus liberal gewesen — als Politiker, nicht als Dichter undKnnsttheoretiker. Da nahm ihn von früh auf die Sehnsucht uachdem „Schöueu" gefaugeu. Wir wollen heut au das eiue absolute„Schöne" nicht mehr glauben; aber wir dürfen nicht vergessen, daßmit Jahrhunderten Herder uud Goethe, Winckelmann und Lessing,Cornelius uud Schiukel daran geglaubt haben. Sie waren festüberzeugt, eS gebe dauernde Normen der Schönheit; die Griechen