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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18201830.

hätten sie besessen nnd für immer festgelegt. Sobald daher Platenaus jngendlich-nnreifen Nachahmungen Schillers nnd der Lehr-dichtung zur Selbständigkeit gelaugt, bildet er sich eiueu eigenenStil ans persönlichem Inhalt und erlernter Form. Die Dichtungenbilden sich nicht ihre eigene metrische Kleidung wie bei naivenKünstlern; sondern wie ein Poet deL Renaissance übersetzt er seineGedanken aus der Sprache des Alltags in die der Dichtung. Es istein ganz eigentliches Übersetzen, wie in fremde Sprache. Er fragtsich: welches ist hierfür die klassische Form? So geht er etwa,wenn er litterarische Satirc geben will, an allen neueren Formenvorbei, schiebt die Tenien, die Litteraturfarcen des jungen Goethe(wieGötter, Helden und Wieland "), die Dunciade des von ihmbewunderten Engländers Pope beiseite und übersetzt seine Ansichtenin die Komödie des Aristophanes: dies ist ihm die gebotene Form.Es kann auch einmal außerhalb Hellas die klassische Form gefundensein: so wird Hafis ihm für das Ghasel, Johannes v. Müller fürdie Geschichtserzählung (in der er sich nicht ohne Glück verflicht hat)unbedingtes Mnster. Aber immer ist es eine gegebene Form, nndsie erscheint ihm als Notwendigkeit, als ewige Offenbarung desGenius. Dem Dichter schreibt er eine hohe Anfgabe zu: er hat dasHäßliche, das Haltlose zum Schönen emporznläntcrn. Sein Werk-zeug aber sind eben die festen Normen der poetischen Formgebung:Um den Geist emporzurichten von der Sinne rohem Schmaus,Um der Diuge Maß zu lehren, sandte Gott den Dichter ans.

Darum hat er seineVerhängnisvolle Gabel" (1826) gegendie Willkürlichkeitcn des Schicksalsdramas und seinenRomantischenOdipils" (1829) gegen wirkliche oder vermeinte Entartungen derneueil Jndividualpoesie gerichtet. Die Stücke siud witzig und kunst-voll; aber bleibende Bedeutung giebt ihnen nicht die gerechte Ab-schlachtnng Müllners oder gar die ungerechte lind häßliche Befeh-dung Jmmerinanils und Heines die ihn freilich zuerst gereizthatteu und von denen Heine sich mit abscheulichen verleninderischenAngriffen persönlichster Art rächte, sondern die Positive Lehre derprächtigen Parabasen. Derselbe Dichter aber, der sich so eifervollgegen alle Poesie wandte, die sein Ideal gefährdete, hat auch gegenpolitische Willkür starke Worte gefunden in satirischen Briesen undGedichten, vor allem in jenenPolenliedcrn", deren heiße Entrüstungallein schon die Legende von seiner Marmorkälte widerlegt. Besserals die meisten Kritiker kannte der gewiß doch nichteisige" Her-