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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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1820-1830.

habenheit des Grauens steht ihm zu Gebote, etwa in jener schaurigenBallade, in der der einer im Schiff die schöne Jungfrau ins Wasserstößt, um sie zu rettenvor der Welt Unfläterei". Vor alleinaber hält er das furchtbare Medusenhaupt der grausigsten Tragi-komödie in der Hand, und versteinert vor Schrecken sehen wir denNegern zu, die sich unter Peitschenhieben in die Lustigkeit hinein-tanzen müssen, während der Sklavenhändler zu Gott betet, ihmseinen Profit am Leben zn lassen; oder der Tragödie der spanischen Atriden; oder dem typisch-tragischen Schicksal der Cancan-KöniginPoinare:Gott sei Dank, du hast geeudet, Gott sei Dank, nnd dubist tot".

Die Gedichte, die (1844) als neue Sammlung nach demBnch der Lieder" erschienen, zeigen im ganzen den älteren gegen-über nur technische Fortschritte; und dieVerschiedenen", die erhier besingt man hat es ihm furchtbar verdacht, obwohl manes Jahrhunderte laug den Ovid und Horaz verzieh, weuu sie dielockersten Liebchen feierten werden zumeist so wenig greifbar,wie die konventionell stilisierteGeliebte" des Buches der Lieder.Situationen weiß er freilich mit einer Sicherheit zu malen, die erstErfahrung in Kunst und Leben verleihen; inJolanthe undMarie" glaubt man den Duft des verspritzten Champagners inder Luft zu fühlen. Wirklich neu aber ist Heine wieder indemRomanzero" (1851). Mit Recht stellt das moderne Kunst-urteil diese Sammlung noch über dasBuch der Lieder ". Die dreiBücher Historien, Lamentationen, Hebräische Melodien fügen sichkunstvoll wie die Glieder einer Sonate zu einem großen Tonstückznsammen. Der mächtige Grundton ist tiefer Pessimismus. DasSchöne ist nicht nur vergänglich, sondern es ist an sich schon trank.Die Pracht des herrlichen Königs, die Grazie der Ballkönigin, derRuhm des Dichterfürsten Staub und Schein. Da flüchtet sichder Dichter, auch er europamüde, nach der neuen Welt und erfindet auch dort keine Verjüngung. Hierher gehört das wunder-bare GedichtBimini", in dem ein berühmter Krieger ausfährt, umden Brunnen ewiger Jugend zu finden und sich rührend-närrischjnng träumt. Es war Heines Sehnsucht; ihn aber rief gleich diefurchtbare Krankheit vom Jungbrunnen in die elende Wirklichkeit.Und die ertönt nun in den herzzerreißendenLamentationen". AlsAlbrecht von Haller starb, machte der Begründer der Physiologienoch Beobachtungen an seinem nachlassenden Pnls; Heinrich Heine ,