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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Romanzero "

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Künstler bis zuletzt, komponiert seine Agonie. Und als wäre derarmeLazarns" nun schon gestorben, feiert er, wie Karl V. in St. Just,am eigenen Sarge einen Trauergottesdienst mit der alten Prachthebräischer Melodien, denen dann wieder als ein bitterer NachrufdieDisputation" folgt die Krone der satirischen Gedichte Heines mit ihrer wunderbaren Groteske, mit unvergeßlich geprägten Versen.

Dasselbe Buch enthält aber auch die Krone seiner Balladen,dasSchlachtfeld von Hastings", dessen strenge, schlichte Schönheitauch die Rhetorik derGrenadiere" noch in den Schatten stellt; esenthält denAsra" mit seiner unvergleichlichen Formulierung stillen,hoffnungslosen Liebeskummers; es enthält jeneNächtliche Fahrt"mit dem grausigen Mord, die am nachdrücklichsten die Moral desganzen Romanzero ansspricht: wohl dem, der stirbt, ehe der WeltUnfläterei ihn beschmutzt, entwürdigt, in den lebendigen Tod ver-setzt hat.

Jedem einzelnen Werk hat Heine Vorreden beigegcben, manchen wie demRomanzero " auch Nachworte. Sie haben in derRegel die Aufgabe, die Auflösung des ganzen Inhalts in lediglichsubjektive Momentsbekenntnisse zu vervollständigen, oder auch die An-griffe zu verstärken, die jedes Bnch enthält. Auch die berufeneBekehrung" Heines wird auf diesem Wege mitgeteilt, seine Rück-kehr zum Gottesglauben, der wir weder mehr noch weniger Glaubenbeimessen können als seinen andern Geständnissen. Heine hat inder Geschichte der deutschen Vorrede Epoche gemacht; und in derThat sind diese charakteristischen Erzeugnisse für seine Prosaschriftenfast so bezeichnend wie dieReisebilder" für die Werke dichterischerErfindung.

Alle Prosnschriften Heines haben etwas Unvollständigesaber was ihnen sehlt, die Fortsetzung oder die Begleitung, dassuggerieren sie selbst. Zu seinem Buch über die romantischeSchule (1836) oder zu der häßlichen Schrift über Vörne (1840)gehört immer noch allerlei, was zwischen den Zeilen steht aberda steht es auch wirklich. Und so ist es überall bei Heine . Alleswas er giebt, ist Bruchstück, aber in eben dem Sinn, in dem allesmenschliche Thun und Wissen Stückwerk ist. Wer sich in denMoment versenkt, dem es entsprang, dem wird es voll, rnnd,abgeschlossen.

Und das gilt auch für Heines scheinbar so zerrissene Persön-lichkeit. Fragmentarisch ist seine Welt, fragmentarisch ist seine

Mcycr, Litteratur. 10