166 1830-1840,
Charakteristisch ist auch Grabbes Kopf: eine mächtige Turm-stirn über einem kleinen, unedel geformten Untergesicht. Das Über-gewicht des Denkens und Grübelns gegenüber der schönen Harmonieim Angesicht Goethes und Schillers, Rückerts oder Eichendorffs bildetsich schon äußerlich ab. Die „mächtige Stirn" wird als hervor-ragendste Eigenheit auch in der äußeren Erscheinung an Büchneruud Griepenkerl, die beide Grabbe so nahe verwandt waren, geschildert;und noch deutlicher ist dies Überwiegen der Stirn dann bei Hebbel,dessen Stirn den übrigen Kopf völlig erdrückt. Auch bei dem be-rühmten Kritiker Frankreichs , auf den die Gegenwart so oft zurück-kommt, bei Sie. Beuve (1804—1869) zeigt sich die gleiche Seltsam-keit, sogar bis zur Karikatur gesteigert; und gemildert tritt sie wiederbei jungen Dichtern unserer Tage auf, bei Gerhart Hauptmann , beiStefan George .
Als eigentliche Nachfolger Grabbes sind Robert Griepenkerl (1810—1868) und Georg Büchner zu betrachten; doch blieb jenerganz ein fragmentarisches Genie. Viel bedeutender ist GeorgBüchner (1813—1837), eine der interessantesten Figuren in demgärenden Chaos dieser Zeit. Der Bruder Ludwig Büchners (1824 —1899) vertritt in der Poesie den Materialismus viel genialer, wenn auchviel weniger wirksam als der Autor von „Kraft und Stoff" in derPopulärphilosophie. Als notwendige Reaktion gegen die Überspannungdes Idealismus in der Naturphilosophie erhob sich gerade damalsder leidenschaftlich negierende Materialismus: zwischen die Geburts-jahre der Brüder Büchuer fallen die seiner eifrigsten wissenschaft-lichen Begründer, Karl Vogt (1817—1895) und Heinrich Czolbe (1819 —1873). Georg Büchner lebt diesen Umschlag in sich selbst durch.Als Romantiker beginnt er und schreibt schon als Gymnasiast zwischenDiktate über die antike Litteratur „mit zollhohen Buchstaben":„Lebendiges! was nützt der tote Kram!" Diese Leidenschaft fürdas Lebendige nimmt nun aber bei ihm die gleiche Entwickelung,wie in der Litteraturgeschichte überhaupt: von der Naturschwärmereieiner Bettiua gelangt er zu dem Naturstudium eines Johannes Müller.Er wird Anatom und Physiolog. Und nun lernt er das viel ge-priesene „Leben" in der Küche kennen, wo es zubereitet wird. Dasanimalische Leben des Menschen führt ihn weiter zu dem anima-lischen Leben des Staates. Er wird glühend-eifriger Politiker, undindem er die Funktionen seines heimischen Staatslebens so genauunter Seciermesser und Mikroskop nimmt wie die der Fischmuskeln,