und der verarmte Havcrmann, und vor allen der prächtige Bräsigjeder ein Stück von Renters Natur haben, giebt dem unruhigkomponierten, oft allzu chronikartigen Buch doch eiue iuuere Einheitund Ruhe. Gauz Mecklenburg rückt hier vor: Adel , bürgerlicheEmporkömmlinge, Landwirte, städtische Honoratioren, zweifelhafteExistenzen, die Geistlichkeit und die Kinderwelt; aber gleichsam alsVerkörperung des niederdeutschen Volksgcistes faßt Bräsig in seinerGestalt ihrer aller Grundzüge zusammen, altmodisches Wesen undStolz auf vermeintliche Bildung, Langsamkeit und scharfen Verstand,eine behagliche Selbstzufriedenheit und goldenen Humor. Eine solcheGestalt war seit Heinrich v. Kleist keinem Deutschen gelungen: sovollsaftig, so rund, so individuell und doch von typischer Geltung.Die gereimten Anekdoten hatten Nenter zu Hause populär gemacht —Bräsig eroberte ihm Deutschland . 1866 war Renters Sieg schonentschieden, und Bismarck, der niederdeutsche Landjunker, dem Bräsiglängst ein vertrauter Freuud war, durfte ihn damals schon den„auserwählten Volksdichter" heißen. „Dorchlüuchting" (1866)hat Reuters Ruhm weniger vermehrt, als es dies prächtige Ge-mälde patriarchalischer Urzustände, eiu Meisterstück des humo-ristisch-historischen Zeitromans, verdiente. Vielleicht trat in ihmeine Schwäche zu deutlich hervor, die der Schüler von Dickens auch in den früheren Romanen nie ganz verleugnet hatte: dieNeigung, einen Charakter zu sehr auf eine, meist seltsame Eigen-schaft zu stellen. Der Herzog mit seiner Gewitterfurcht uud selbstdie beiden Schwäger in ihrem rechthaberischen Streit erhalten ge-legentlich ein fast pathologisches Gepräge, wie man es an FruPomuchelskoppen übersehen, an dem „Kapteihn" der Festungstid mitwehmütigem Lächeln geduldet hatte. Aber entschädigt die unver-gleichliche Begegnung zwischen Landesfürst und Bäckersfrau nichtallein schon für solche Mängel?
Reuter hatte sich mit der Zeit seinen eigenen Stil für dieProsa geschaffen: einen Wechsel von breit ausfließenden Periodennnd stockender Rede, wie sie etwa dem Gespräch in der gemütlichenKneipe eignet; das Übermütigste wie das Zarteste wußte er aus-zudrücken, das Rendezvous der Frau Pastorin in der „Stromtid " wieBräsigs Tod. Wo er dagegen reimte, blieb er nach wie vor vonder hochdeutschen Füguug abhängig, nnd nicht immer von den bestenMustern. „Kein Hüsuug" (1858), ein düsteres Epos, aus dem dieeigene, nun überwundene Not des so lange Nnbehausten herausschrie,