262 1840—1850.
ward sein Beitrag zu der im politischen Sinne revolutionären oderdoch agitatorischen Poesie der Zeit: eine wilde Anklage gegen denrohen Egoismus des landhaltenden Junkertums. Es entbehrt nichteiner gewissen packenden Krast; aber der Form wird Reuter zuwenig Herr. Noch mißglückter scheint mir „Hanne Nüte" (1859),ein Versuch mit Klans Groth auf seinem eigenen Gebiet zu ringen,Tierstimmen nnd Menschenschicksal eng zusammenzureimen. Abersie bleiben äußerlich aneinandergeschoben. Klaus Groth ist Lyrikerdurch und durch. Wo er Jugenderinnerungen giebt („Ut minJungsparadies" 1876), da bringt er uns die Stimmungen und„Zustünde" seiner Kindheit wieder — Reuter ist Epiker, und Ge-stalten und Erlebnisse schildern seine Memoiren („Schurr Murr"1861). Jedem gebührt sein Kranz; aber hat Groth viele würdigeGeuossen, Mörike und Storm vor allen, so steht Reuter in seinerArt einzig da.
Man hat behauptet, der Inspektor Bräsig habe den Pessimis-mus erschlagen. Das geht freilich zu weit — nicht nur, weil dieGrundstimmungen der Menschheit immer wiederkehren, sondern auchweil ein gewisser Optimismus schon nötig war, um ihm Raum zuschaffen. Was hätten Justinus Kerner oder Nikolaus Lenau mit„Stromtid " und „Dorchläuchting" ansangen sollen? Jetzt aberklang aus allen Ecken das Echo. Von den vielen, großenteilsrühmenswerten plattdeutschen Nachfolgern Reuters hat es freilichhöchstens einer bis zu einem gewissen Platz in der Nationallitteraturgebracht: Johu Brinckman (1814—1840) ans Rostock. SeineHumoreske „Kasper Ohm un ick" (1855) ging Reuters Romanenschon voraus, wenn auch nicht seinen Anekdoten; und die Haupt-figur, der Ohm Kasper, ist mit seinen würdevollen Münchhausiadenund seinem altmodischen Pomp nicht ganz unwürdig, neben Bräsigund Mamsell Soltmann (in „Dorchläuchting") genannt zu werden.Andere Nachfolger und Nachahmer Groths und Reuters , wie dieNorddeutschen Wilhelm Schröder (1808—1878) und JohannMeyer (geb. 1829) oder die Westfalen Fr. W. Grimme (1827—1837) uud H. Landois (geb. 1835) gehören nur in die Litteratur-geschichte ihrer engere Heimat.
Nicht vereinzelt trat in Berthold Auerbach und Otto Ludwig, FritzReuter und Klaus Groth das Provinzielle hervor. Das Sondergefühlverkörpert sich bis zur Ungerechtigkeit selbst in einem ernsten Denkerund großen Gelehrten wie Victor Hehn (1813—1890), dem auch