Theodor Storni,
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nicht ihren Inhalt — ihren Reflex, ihre Wirkung auf die Gegen-wart liebt er zu malen.
Theodor Storm (1817—1888) gehört zu jenen Dichtern,deren ganzes Leben fast nur ein eigentliches Erlebnis ausweist:ihre Jugeudzeit. Es sind lyrische Naturen, von so zarter und zu-gleich tiefer Sensibilität, daß schon in Jahren, die sonst noch vordem „Aufblühen der Außenwelt" liegen, sie sich vollsaugen vonEmpfindungen für jede Stimmung, die sie umgiebt. Das verleihtdann jedem künstlerischen Wiedererwecken dieser Jugendeindrückeeinen eigeuen Reiz: nicht bloß die Darstellung, schon die Konzeptionselbst ist gleichsam vergoldet von der Patina jahrelanger Unbe-rührtheit: ein gesättigter Goldton wie auf den Werken alter Meistererfüllt schon die Phantasievorstellung des Dichters und geht vouhier, fast ungewollt, in die Ausarbeitung über. Daneben liegt aberder Nachteil, daß die Phantasie so früh gleichsam ausgefüllt ist,daß neue Eindrücke kaum noch Raum finden; immer suchen nurdieselben alten Lieblingsstimmungen nach neuem Ausdruck, nachnenen Trägern. Zwar von Storms eigentlicher Lyrik gilt dasnicht so ganz; hier tönt neben jener süßen Jugendsehnsucht einkräftiger Welttou, wenn auch seltener, weniger gepflegt:
Wir können auch die Trompete blasen
Und schmettern weichin dnrch daS Land;
Doch schreiten wir lieber in Maientagen,
Wenn die Primeln blühn und die Drosseln schlagen,
Still sinnend an des Baches Rand.
Aber fast ganz gilt es für seine Novellendichtnng. Er schreibtselbst an Eduard Mörike , seinen Liebling und seinen nächsten Ver-wandten unter den Zeitgenossen: „Sobald ich recht bewegt werde,bedarf ich der gebuudeneu Form. Daher ging von allem, was anLeidenschaftlichem und Herbem, an Charakter nnd Humor in mirist, die Spur meist nur in die Gedichte hinein. In der Prosaruhte ich mich aus von deu Erregungen des Tages; dort suchte ichgrüne stille Sommereinsmnkeit." Und ebenso bezeichnend einmal anLudwig Pietsch : „Ich lege Ihnen hier ein Gedicht bei, worin dieSehnsucht nach unserer alten Heimat Worte gefundeu"; (es ist dasGedicht „Gartenspuk") „eine wohl nicht ganz gelungene Dämoni-siernng dieser Garteneinsamkcit, welche die Mutter meiner meistenProduktionen ist."
Das ist Romantik — sicherlich; und die beiden Forscher, denen
Mcycr, Litteratur. 31