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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Die lyrische Stimmung.

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der Landvogt von Husum seinen zärtlich geliebten Kindern einezweite Mntter. Er blieb dann im Jnstizdienst in seiner Vaterstadt(bis 1880) und siedelte zuletzt in ein von ihm selbst erbautesfestes,rotes, an der Sturmseite mit Schiefer von oben bis unten bedecktesKastell" in Hademarschen über. Da lebte der kleine zierliche Mannmit der vorgebeugten Haltung und den freundlichen Augen imschmalen Gesicht noch acht glückliche Jahre, eifrig in seinen Lieb-lingsdichtern lesend und auch wohl mitjugendlich leidenschaftlicherTenorstimme" Schnmannsche Lieder und Volksweisen vorsingend,korrespondierend uud Novellen schreibend, bis (4. Juli 1888) seinTod ein Trailertag für Deutschland wurde.

Theodor Storm hat selbst gestanden, er habe nie in seinemLeben eine Versuchung zum Drama gefühlt eine höchst merk-würdige Singularität, noch größer als Ibsens Gleichgültigkeit gegenalles Romanartige, denn der norwegische Meister hat wenigstens inmetrischer Form Romanzen geschrieben. Man kvmrte aber fast nochweiter gehen und behaupten, in der größeren Halste seines Lebenshabe Storm überhaupt nur Lyrisches gedichtet. Wie seine Novellistikaus der Lyrik hervorwächst, hat Schütze an der frühen ErzählungEin grünes Blatt" gezeigt; lind umgekehrt verdichtet sich wieder,wie inJmmensee", die Stimmung zum Liede. Deshalb sind dieVerse innerhalb der Erzählung bei Storm, wie bei seinem VorbildEichendorff , ganz etwas anderes als die, die Fontane oder garJordan in den Roman einlegen: nicht ein von außen eingefügtesMittel, Höhepunkte der Handlung gleichsam mit angesteckten Fackelnzu beleuchten, sondern ungewollter Übergang in die Sprache derDichtung; wie denn auch seine Prosasätze zuweilen in sambischeRegelmäßigkeit überglühen. Wir erinnern nochmals an jenes wichtigeGeständnis des Dichters:Sobald ich recht bewegt werde, bedarfich der gebnndenen Form". Kaum wäre es übertrieben, wenn wirsagten: Storm bedient sich der Novelle, um die ersehnte Stimmungzu erlangen nmsich auszuruheu von den Erregungen desTages"; besitzt er sie, so wird ihm ihr Inhalt von selbst zumGedicht. Wie sagt doch Eichendorff?

Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort nnd fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du uur daS Zauderwort.Diese Lyrik innerhalb der Epik, wie etwa das wunderbareHeute, uur hellte biu ich so schön" des Harsenmädchens, ist nichts