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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Storms epische Technik.

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ihre wunderbare Kraft und Anschaulichkeit vor allem dadurch,daß die Phantasie sich tief in das Landschaftsbild einfühlt, sichdamit vollsaugt, daß nuu aber die Schilderung selbst uicht alleswiedergiebt, sondern nur ebeu die Puukte, die als wesentlich uudcharakteristisch sich dem Gedächtnis einprägen. Eine letzte Folgedieser Technik ist endlich die von Erich Schmidt charakterisierteSparsamkeit des Dialogs.Anfangs war auch die Äußeruug derStimmung durch lallte Worte ungemein sparsam. Ein hingehanchterNameElisabeth", oder beim Anblick eines bedeutsamen Ortes nureinJmmensee", beim Zusammentreffen nur die Anrede:Wirhaben uns lange nicht gesehen" und die Gegenrede:Lange nicht!";ganz ähnlich beim Abschied:Du kommst nie wieder!"Nie!" Auch später ist Storm nie zn lebendigerem Nedeanstausch vor-geschritten.

Sicherlich, hier liegt eine Schwäche dieser Technik.In demscheinbar unendlichen, ewig wechselnden Lande der Träume", sagtder feiuste Psycholog der neuerm Litteratur, I. P. Jacobsen ,giebtes in der That nur bestimmte, kurze, gebahnte Wege, auf die sichder ganze Verkehr beschränkt und von denen niemand weicheil dars."Auf ihnen halten sich die Figureil Storms. Wo bliebe da Ranmoder Zeit zu vollem Ausleben im Gespräch oder gar zu geistreichenUmblicken? Auch von den Gesprächen bleiben nur symbolische Restebezeichnend in der Erinnerung, wie wir eiueu Kirchturm noch sehen,wenn die ganze Stadt mit ihren mannigfaltigen Dächern, Kuppeln,Monumenten schon entschwunden ist.

Eine gewisse Eintönigkeit muß man daher bei Storms No-vellen eingestehen. Etwas schwer ist es doch, in der Erinnerungdiese vielen blassen Mädchen mit den dunkeln Angen, diese stillen,träumenden Musikanteu und Gelehrten, diese einsamen alten Jungfernmit dem heimlich gehegten Veilchen am Herzen auseinanderzuhalten.Auch von der Gesamtproduktion Storms bleibt dem Leser fast nurein musikalisches Erinnerungsbild, aus wenigen symbolischen Zügeuzusammengesetzt. Wohl bewegen sich dazwischen auch herbere Ge-stalten wie Franziska Fedders (imWaldwinkel") und die Tochterdes Deichgrafen (imSchimmelrciter"), auch harte PhysiognomienwieDer Herr Etatsrat" (1881); zahlreicher nochHoffmaiinscheFignren", Originale, in denen das Groteske sich mit dem Beäng-stigendeil mischt, wie in dem Amtschirnrgen und den beiden Kuchen-essern der alten Zeit (Zerstreute Kapitel" 1873), für dereu Bild