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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18401850,

der Dichter selbst den seligen Kammergerichtsrat heraufbeschwört.Dennoch ist im ganzen die zarte, oft nur musikalisch anregende Nm-rißzeichnung der Gestalten durch die ganze Novellendichtung Storms vorherrschend geblieben. Selbst die Titel vermeiden so scharf ab-schneidende Silhouetten wieSoll und Haben" oderDie letzteReckeuburgerin", eine sociale Nangbezeichnnng wieGraf Petöfy".Statt dessen werden elegisch-stimmungsvolle Namen gesucht:Jm-mensee",Eiu grünes Blatt",Von jenseits des Meeres",Wald-winkel",Ein stiller Musikant". Oder fremder und dialektischerKlang erweckt Stimmung:^.czuis 8uduiersus",Pole Poppenspäler",Bötjer Basch".Auf der Universität" klingt zu bestimmt; eswird umgetaust:Leonore";Eine stille Geschichte" sagt zu viel,es muß dann heißen:John Riew'". Im Innern wird ebenso dieBegrenzung durch Kapitel oder scharfe Abschnitte anderer Art ver-mieden: weich fließt eine Erinnerung in die andere über.

Von der ersten Periode (Jmmensee" 1852 noch immerStorms verbreitertes Werk;Ein grünes Blatt" 1855), die jedeeigentliche Handlung fast absichtlich vermeidet, hebt sich Storm zuder Höhe der zweiten, der wir seine MeisterwerkePsyche" (1877),^uis 8nbmsi'8iis" (1877),Renate" (1878) verdanken. DieChroniknovellen hat wohl die Freundschaft mit Gottfried Keller (seit März 1877) angeregt; für Storms Eigenart war die seitdemoft gemißbrauchte Form wie geschaffen. Langsam sinkt er dann inder dritten Periode (Der Herr Etatsrat" 1881,John Riew'"1886). Er wird der musikalischen Wirkung müde; er findet nichtmehr die Kraft gewaltiger Tragik. Dafür strebt er der Konzen-tration des Romans zn wie der gealterte Keller. So kommter zu demSchimmelreiter " (1888). Aber hier reicht die Techniknicht aus. Der Hörer muß sich eine endlose Geschichte von einerFigur, dem Schulmeister, aber ganz in Storms Art, erzählen lassen;endlose Reden, ganz gegen seine Manier, werden gewechselt; einunmotiviert grausames Ende knickt die Entwickelung ab. So habenwir auch an Storm ein merkwürdiges Beispiel, wie ein Talent sozu sagen über seine Fähigkeit heransreist: der in der Stimmungs-novelle Meister war, wird allmählich zum Entwickelungsroman ge-drängt, nm^dort zu scheitern.

Eine iimere Verwandtschast zog Storm zu einem Dichter, dendoch seine eifrige Fürsprache nicht vor ungerechtem Vergessen schützenkonnte: Solitaire (eigentlich Woldemar Nürnberger aus Sorau ,