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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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1840I8SV,

noch Viel stärker eingewirkt. Dennoch ist Solitaire keineswegs einNachahmer. Er sieht wirklich dieseNotturni ", diese Phantas-magorien. Grausige Traumbilder sind es, in grellen Farbeneffekten:grelle Beleuchtungswirkungen von sast moderner Art:DemKamin zunächst stand ein großer, viereckiger Tisch, darauf lag einHansen blanker Silbermünzen, daneben ein Stilett, an dem, wieich im Leuchten der Blitze, in der Fackel uugewissem Flackerlichtezu erkennen glaubte, Blut klebte." Wie sich bei Storm das Er-innerungsbild allmählich immer deutlicher herausarbeitet, so beiSolitaire das Nachtstück. Das Auge muß sich erst gewöhnen -Ihre Arme hingen rückwärts nach dem Boden. Sie schien totzu sein; sie war es." Wie dieser nervöse Realismus ganz modernist, so anch gewisse krankhafte Epitheta:diese bleichen Tempel-ruinen";schwarz und unbeweglich liegt sein uugestalter Schatteuals eiu wüster Schrecken auf dem Boden";diese welken Lippen,sein ineinandergepreßt, als wie sich schwesterlich beschützend inihrer Schönheit". Wilde Situationen, in denen eine zerrisseneSeele das Hohngelächter der entfesselte» Natur hört, sind seineLieblingsstücke. So steht Solitaire als ein wunderbares Gemischveralteter uud verfrühter Kunst da; ein gut Stück Schauerromautikund die hysterische Einsühlungssucht der Neuesten, der Stil Hoff-mauus und eine individualisierende Landschaftszeichnung, diedendeutschen Föhrenwald, die Meeresküste mit den gelben Dünen undschroffen Klippen" mit damals unerhörter Anschaulichkeit hinmalt all das sind Elemente seiner Dichtung. Er hat der politisch-historischen Richtung mit seinem Büchlein1848. Reflexionen überRevolutionen" einen Tribut dargebracht, und er hat als einer derersten nach Goethe das jetzt so berühmte WortÜbermensch" ge-braucht. Deutschland hätte mauch weniger interessanten Mann ver-gessen können.

Stärker als Solitaire und selbst als Storm tragen zweijüngere Sprossen der politisch-historischen Dichtung den Charakterdieser Schule: Wilhelm Heinrich Niehl und Conrad FerdinandMeyer .

Wilhelm Heinrich Riehl (18231897), der Sohn desSchloßverwalters zu Biberich (geb. 6. Mai), ist der rechte rheinischeErzähler. Wie unser alter Heinrich von Veldeke und der präch-tige Johann Peter Hebel hat er Freude am Erzählen nm des Er-zählens willen; daher die breite, behagliche Beschreibung, der etwas