496
1840—I8S0.
Mann eine gewisse Versöhnung der Gegensätze: er ließ (in denliebenswürdigen „Religiösen Studien eines Weltkindes" 1894) dieModernität mit der Tradition, die Aufklärung mit der Romantik,das städtische Wesen mit dem ländlichen einen leidlichen Friedenschließen; aber im Grunde ist er doch unter all den Historisch-Politischen der einzige überzeugte Verehrer des Alten gewesen.
Zwischen Riehls gelehrten Arbeiten und den novellistischenstehen die „Musikalischen Charakterköpfe" (1853 — 1877)mitten inne, sein Lieblingsbnch uud stilistisch das am sorgfältigstenausgearbeitete Werk. Wie Freytags „Bilder" sind auch diese treff-lichen Charakteristiken aus dem vielgescholtenen Fenilleton erwachsen.Nirgends verleugnen sie die Pädagogische Tendenz des gemäßigtkonservativen Journalisten: für die alte Kunst gegen, die neue, fürBach insbesondere gegen Wagner, sür eine „Hausmusik" altenStils gegen das Klavier.
Tendenziös ist auch seine Dichtung, von dem seltsamen, inTechnik und Stil noch gut „jnngdeutschen" Roman „die Geschichtevou Eisele nnd Beisele" (1848) angefangen. Er sucht nach derVolksseele, nach der echten Eigenheit des deutschen Volkes; aber nichtals Forscher, sondern als Pädagog, der diese bedrängte Seele wiederauf die richtige Bahn leiten will. Aus diesem Drang heraus ent-stehen in sast regelmäßigem Wechsel mit den wissenschastlichen Werkenseine Novellen („Kulturgeschichtliche Novellen" 1856, „Geschichtenaus alter Zeit" 1863—1865, „Aus der Ecke" 1875, „Am Feier-abend" 1880, „Lebensrätsel" 1888) und zn ihrer Ergänzungbiographische Schriften von gleichem Reiz des Vortrags („Kultur-geschichtliche Charakterköpse" 1891, „Religiöse Studien eines Welt-kindes" 1894). Der Hintergrund bleibt immer die Hauptsache: dereigentümliche Zustand der Volksseele in einem bestimmten Momentsoll durch reichliches Ausmalen aller Verhältnisse anschaulich undverständlich gemacht werden. Auf diese Weise erhalten auchRiehls Novellen etwas von dem experimentellen Charakter, dergerade den bedeutendsten Leistungen jener Zeit eigen ist. Er fragtsich etwa, wie das Nebeneinander von christlicher Frömmigkeit undwilder Grausamkeit in altdeutschen Zeiten zu erklären sei — under verdeutlicht es sich an der Geschichte von König Karl undMarkolf. Oder er wirst die Frage auf, wie die Nachahmung fran-zösischer Zierlichkeit an einem kleinen deutschen Hof sich ausnahm —und es entsteht „Ovid bei Hofe". „Auf dem Grund der Gesittnngs-