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1840-1850,
in der Regelmäßigkeit, mit der bestimmte Wirkungen bestimmte Gegen-wirkungen hervorrufen. Diese dauernden Einrichtungen, das ganzegeistige Klima der wechselnden Zeiten und Ortlichkeiten, malt Niehlmeisterhaft, uud nur selten verrät sich der „General-Konservatorder Altertümer" — ein Amt, das der Münchener Professor derKulturgeschichte erst 1885 erhielt — in einem liebenswürdig-über-flüssigen Anbringen von Kuriositäten. Die feierliche Neauisiten-Romantik Storms aber lag ihm so fern wie die pedantische vonEbers. Es ist mehr ein behagliches Ausruhen; er streckt unddehnt sich in einem bequemen alten Sessel, wie Mörike es sich inder Reisekutsche Mozarts bequem macht. Modern ist diese Be-haglichheit freilich gar nicht; und ich leugne nicht, daß zuweileneine gewisse anmutig-altmodische Langweiligkeit selbst in seinenbesten Büchern (den „Kulturhistorischeu Novellen" und den „Ge-schichten aus alter Zeit") herrscht. Gesunde Lektüre im bestenSinne hat aber nicht leicht ein deutscher Autor iu so reichem MaHeseinem Volk gegeben wie Riehl — Reuter etwa ausgenommen. Undals er (16. November 1897) 74jährig starb, empfand man esweithin, als sei ein freundlicher Wohlthäter, ich möchte sagen einüberall beliebter, freundlich erzählender und liebenswürdig belehren-der älterer Verwandter gestorben.
Als die späteste, aber auch die reifste Frucht der historisch-poli-tischen Schule trat die Dichtung Conrad Ferdinand Meyers (1825—1898) ans Licht. Mit Riehl und Scheffel fast gleichaltrig,hat der zweite große Züricher doch erst gleichzeitig mit dem um einhalbes Meuschenalter jüngeren Anzengruber die litterarische Bühnebetreten. Dafür kam seinen Werken alles zu gut, was von 1850—1870 diejenigen deutschen Dichter, die noch lernen konnten undwollten, gelernt hatten: die Verfeinerung der Technik, die Müßigungder Tendenz, vor allem die Vertiefung der Psychologie. Der kleine,sehr starke Mann mit dem unheimlich großen schweren Kopf, mit denhochausgebauschten Haaren nnd der goldenen Brille über den kleinenAugen sieht neben dem langen Freytag, dem behaglichen Riehl unddem beweglichen Scheffel sast unnatürlich aus; seine Erscheinung machtneben diesen anspruchslosen Exterieurs beinahe den Eindruck einesKunstproduktes. Das Gesicht scheint vom Lebensgenuß, die Stiruvom Grübeln aufgetrieben; die hoch gesträubten Haare stehen nichtin festen Garben, wie die Ibsens , sondern scheinen wie eine Kamin-welle im Sturm zu wehen. Eine raffinierte Kultur verleugnet sich