C. F. Meyer.
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nicht in dieser Erscheinung; aber das vornehm-ruhige Lächeln deutetauf einen Geist, der der gefährlichen Elemente Herr geworden ist.
Der Sohn des alten, vornehmen, reichen nnd malerischenZürich war ein würdiger Vertreter seiner Vaterstadt. GottfriedKeller , der andere große Züricher, hat immer etwas Kleinbürger-liches, fast etwas Bäurisches behalten; C. F. Meyer vertritt in seinerlitterarischen Erscheinung das städtische Patricia: so rein wie kaumein zweiter Autor. Reicher, saftiger, ursprünglicher floß dem Sohndes armen Drechslers die dichterische Ader; in künstlerischer Durch-bildung blieb ihm der Nachkomme einer alten, in befestigtem Wohl-stande dahinlebenden Familie überlegen. Sie liebten sich nicht sehr,weder als Menschen noch als Künstler; aber sie waren in beiderleiHinsicht zu bedeutend, um sich nicht mit Hochachtung zu betrachten.Und, was merkwürdig genug ist, der strengere Künstler hat aufdas größere Genie Einfluß geübt, während sich das Umgekehrtenicht beobachten läßt. Kellers letzte und beste Balladen, wie „derNarr des Herrn von Zimmern" und „der Has von Überlingcn"stehen unter der Wirkung von Meyers Balladen. Dieser aber istallzeit streng und gerade den Weg geschritten, den seine Natnr ihmvorschrieb.
Es war eine mehr als evikureische Natur; voller erschöpfenderLebensgennß war ihr Bedürfnis. Die ganze Fülle der reichen Weltgenügte kaum dem stürmischen Bedürfnis dieser nach Frendengierigen Seele:
Genug ist nicht genug! Gepriesen werde
Der Herbst! Kein Baum, der seiner Frucht entbehrte,
Tief beugt sich mancher allzu reich beschwerte,
Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zur Erde.
Genug ist nicht genug! Mit vvllen ZügenSchlürft Dichtergeist am Borne des Genusse?,Das Herz, auch es bedarf des Überflusses,Genug kann nie und nimmermehr genügen!
So hat er die erste Hälfte seines Lebens im Überfluß der Genüssedahingebracht, schwelgend im Mit- und Nachgenuß aller Schön-heiten, ein durstiger, aber schweigsamer Zecher an vollbesetzter Tafel.Bis der Herbst kam, und ein leichter änßcrer Anstoß, die Auf-forderung eines Verlegers, Plötzlich die reifen Äpfel zur Erde rollenließ. Er wußte es selbst uicht, wie in der künstlerischen Feinheitseiner Lebensfreude, die doch zuletzt zu trüber Unbehaglichkeit um-
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