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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18401850,

geschlagen war, der Dichter in dem Leser, der Psycholog in demumhersahrenden Epikureer gereift war. Zögernd traten die erstenGedichte (1864) an das Tageslicht. Dann kam das große Ge-witter des Krieges von 1870. Bis dahin hatte C. F. Meyerwählerisch aus romanischer und germanischer Knltur, was ihm gesiel,sich angeeignet. Jetzt in der großen Spannung dieser Entscheidnugs-tage schritt er für immer und mit vollem Herzen in die Reihe derdeutscheu Kämpfer.Huttens letzte Tage " (1871) war die dichte-rische Verklärung des fahrenden Ritters, den über alle innerenWidersprüche hinweg die starke Parteinahme für eine große nationaleSache zum Helden erhebt. Es war seine Reinigung von müßig-egoistischer Beschaulichkeit. Und rasch solgten nuu dem lieblichenIdyllEngelberg " (1872) die glänzenden Gaben seiner Erzähler-kunst:Jürg Jenatsch" (1876),Der Heilige" (1880),No-vellen" (1883:Das Amulett",Der Schuß vou der Kanzel",Plautus im Nonnenkloster",Gustav Adolfs Page ");Das Leideneines Knaben" (1883),Die Hochzeit des Mönchs" (1884),Die Richterin" (1885),Die Versuchung des Pescara"(1887),Angela Borgia" (1890); dazwischen (von 1882 an) dieSammlungen seiner Gedichte.

Eine Künstlernatur war er von Geburt an. So begierig seineSeele danach strebte, von demgoldenen Überfluß der Welt" zutriuken, so gebieterisch sorderte sein Künstlerherz harmonische An-ordnung des Genusses. Reiche Fülle künstlerisch geordnet dasward sein Kunstideal.Seine Fabel lag in ausgeschütteter Füllevor ihm", sagt er von Dante , den er zum Erzähler derHochzeitdes Mönchs" machen durfte,aber fein streuger Geist wählteund vereinfachte." Das alles gilt auch von ihm. In einer Zeit,in der ans der Wissenschaft her das für die Kunst verderblichePrinzip derVollständigkeit" Begabungen vou solcher Stärke wieZola aus Künstlern zuweilen in pedantische Negistratoren verwandelte,hielt er an der künstlerischen Notwendigkeit des Wählens und Ver-einfachens fest. Wo selbst ein Keller zuweilen allzu behaglich dieganze Wasscrmasse ausschüttete, da ließ er weislich in jeder Schaledes Brunnens einen Teil des Vorrats zurück.

So wählte er überall mit sicherer Hand den Moment. Nicht,wie Goethe und Schiller, den Moment, der eine typische Erscheinungin größter Reinheit zeigt sondern den, der möglichst viel Wirk-lichkeit auf einmal enthält. Nicht dersymbolische Fall" der Klassiker