C. F. Meyers Stoffmahl.
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ist für ihn der fruchtbare, sondern der, der nm reichsten ist anKeimen und Möglichkeiten. Deshalb wählt er den historischenMoment reichbewcgter Epochen; deshalb den psychologischen einergroßen Versuchung.
Reichbewegte Epochen ziehen ihn vor allem an: die Zeit, inder das deutsche Kaisertum entstand, unter Karl dem Großen, unddie, da es zu Grunde ging, im dreißigjährigen Kriege: die Renaissance,die Reformation, die Zeit des ,R,c»i Solsil". Gewiß hat er seineFreude auch an der äußeren Buntheit dieser Zeiten, und zuweilen,besonders im „Pescara ", hat er dieser Kostümsreudigkeit und Möbel-lust in zu hohem Grade nachgegeben. Aber das war doch immernur die Hülle. Was ihn eigentlich anzog, war die innere Bunt-heit, der Reichtum der historischeu Möglichkeiten an einen: solchenWendepunkt. Versuchungen ganzer Völker sehen wir hier vorAugen: wohiu werden die Parteien Deutschlands oder Italiens imsechzehnten Jahrhundert die Nationen treiben? Gern schildertder Dichter Gewitter mit ihren blitzartigen Beleuchtungen, aufdie wieder tiefes Dunkel folgt; solche Erntcgewitter sind auch jeneausgeregten Epochen, in denen von einem Blitzschlag der ganzeErfolg einer langen Erntearbeit abhängt. In dieser grellen Be-leuchtung sehen wir im „Jenatsch", im „Heiligen ", in der „Richterin",im „Pescara " die ringenden Mächte, Hell und Dunkel, die Gestalten,die Dinge.
Solche Gewitterstimmung in der Menschenseele — das ist derTriumph seiner psychologischen Kuust. „Die Versuchung des Pescara"heißt eins seiner Bücher — keins von den allerbesten, aber ein sehrbezeichnendes. Versuchungen schildert im Grunde jede ErzählungMeyers — Versuchungen, denen in seinen älteren Werken die Heldenunterliegen, während sie sie später überwinden. Starke Naturensind all seine Helden. Allen ist die Seele übervoll von aufge-häufte» Kräften, Begierden, Regungen. Sollen sie die wilden Kräfteihrer Brust loslassen wie verderbendrohende Dämonen? sollen siesie bändigen? Ein Augenblick entscheidet es: der der Versuchung.
Da ist ein Mann voll großer Anlagen, Jürg Jenatsch, einreformierter Pastor, begeistert für die Sache seiner Kirche uud seinesVaterlandes; wird die große Versuchung nicht alles Unkraut auf-schießen lassen, das im Dnnkel der Seele zwischen den Garbeu wuchs:Ehrgeiz, Herrschsucht, Selbstsucht? Mannigfaltige Keime birgt dieSeele jeues merkwürdigen Sohnes einer Türkin und eines Eng-