„Lieder des Mirza Schaffy"
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hat; daß er, der gar keine politische Ader hatte und für Rußland weitgehende Sympathien hegte, kein politischer Dichter wnrde, istseine geringste Sünde. Wenn er mit seinem Geschöpf fühlte, solag das nicht in politischen Fragen, sondern in der Weltauffassung:die heitere Lebensbejahnng, die entschiedene Abwehr aller trübenWeltflucht hat er seinem Vertreter aus eigener Empfindung ein-geflößt. Ohne Zweifel war diese kräftige Lebensbejahnng, in derer mit der Grundrichtung der ganzen Zeit, mit Lotze uudMenzel, mit Freytag uud Jordan übereinstimmte, das Allerbeste anMirza Schafft); und indem er diese Gesinnung noch weiter ver-breitete, hat er stark und segensreich gewirkt. Bodenstedt ist gewißnicht tief; er ist kaum geistreich zu nennen. Sein Grundzug istvielmehr eine gewisse Altklugheit, ein Talent, Dinge neu zu ent-decken, die alle Welt längst weiß. Er erzählt einmal von seinemAufenthalte in Rom : „Sehr anregend wirkte auf mich der Verkehrmit zwei ausgezeichneten jungen Gelehrten, Heinrich Brnnn undJakob Burckhardt ." Die beiden großen Kunsthistoriker waren aller-dings damals erst in den Zwanzigern; aber klingt es nicht, alswäre Bodenstedt Wunder wie viel älter gewesen? er war drei Jahreälter als Brunu, ein Jahr jünger als Burckhardt! So ist er aberimmer. Der unglückselige „Nachlaß des Mirza Schaffy " (1874)klingt ganz wie das Gestammel eines greisen Kindes, das nie jungwar und nie alt wurde. Feierliche Trivialität und pompöse Ge-meinplätze dehnen sich in anspruchsvollen orientalischen Zierleisten.Dergleichen zeigt auch schon die ältere Sammlung:
Wer alles aufs Spiel gesetzt,
Hat sicher zu viel gesetzt.
Aber daneben zeigte sich doch früher auch eine erfreuliche Mun-terkeit, die an dem eigenen oft gerühmten „Witz" nicht mehr und nichtweniger Vergnügen hat als an vielen anderen guten Dingen. Daverkündet er dann sein Evangelium in dem wirklich wunderhübschenGhasel „Verbittre dir das junge Leben nicht, verschmähe, was dirGott gegeben, nicht", und polemisiert gegen die amarantheneRichtung:
Wenn die Lieder gar zu moschcenduftigUnd schaurig wehn —
Muß es im Kvpfe des Dichters sehr ideenluftigUnd traurig stehn.
Freilich zeigt auch dies Beispiel die Achillesferse der Kunst Mirza
Schaffys: die starke Abhängigkeit von Reim und Wort. Wie hier