Der historische Roman.
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und mächtigen Jesuiten als Hauptintriguanten in die Mitte. Haus-rath, der unter dem Namen „George Taylor" schrieb, hat hier denVorteil, aus gründlicher lebendiger Kenntnis der religiösen Um-triebe in der Zeit nach der Reformation nnd mit lokaler Anknüpfung(an den Heidelberger Schloßban) zu schreiben, während er sonst,wie die meisten anderen, nur aus zusammengesuchten Steinen einMosaikbild zusammenlegt („Antinous " 1831, „Jetta" 1884).Vielseitige Arbeiten zur Geschichte der Weltlitteratur (1888), derneueren europäischen Litteratur (1882—85) und speciell der neuerendentschen Dichtung (1886) führten Adolf Stern (geb. 1835 inLeipzig ) zu erfolgreichen Romanen („Die letzten Humanisten" 1880,„Camoens " 1887) und Novellen (in Auswahl erschienen 1897»von historischem Kolorit und leicht lyrischer Färbnng. Ähnlichesgilt von Ernst Eckstein (geb. 1845 in Gießen ), einem vielgereistenund vielgeübten, wenn auch etwas flachen Talent; von der humo-ristischen Erzählung („Schach der Königin" 1870) und der Humo-reske („Ein Besuch im Carcer" 1875) ist auch er zum historischeuRoman übergegangen- („Die Claudier" 1881, „Aphrodite " 1885u. a.), nicht ohne Erfolg. Aber so recht zu Hause ist er doch nurin der Plauderei und in Polyglotten Versspielen („I^ra ^i-mauo-latina" 1894: deutsche Gedichte von Goethe, Lenau u. a. im Vers-maß der Originale ins Latein übertragen) — eine Spielerei, derenVerwandtschaft mit Scheffels anachronistischen Gedichten aus derHaud liegt. August Sperl erwählte sich das deutsch -böhmischeGrenzgebiet zur Specialität („Die Fahrt nach der alten Urkunde",„Die Söhne des Herrn Budowoj" 1897), Gregor Samarow aber (eigentlich Oskar Meding , geb. 1828) aus Königsbergüberbot alle Konkurrenz durch unheimliche Fruchtbarkeit im „histo-rischen Zeitroman".
Fast all diese Bücher gehören in die Litteraturgeschichte nurals Symptome, nicht als Leistungen. Das Gleiche gilt auch von derbreiten Flut der eigentlichen Ermattungs- nnd Erholnngspoesie. Sieftainmt nicht wie die Poesie Johann Georg Fischers, Waldans, Meiß-ners, Linggs aus einer einzelnen Richtung des vorigen Jahrzehnts— die gesamte Wirkung jener Epoche spiegelt sich in ihr ab.Die Ermüdung, die wir als Kennzeichen der Zeit nach 1848 be-schrieben, findet in ihr direkten Ausdruck. Nur keine Anstrengung,keine geistreiche Unterhaltung, keine historischen Studien und Nutz-anwendungen, keine politische Tendenz, auch keine künstliche Form: