626 1860—1870.
Nietzsche ; Haeckels „Natürliche Schöpfungsgeschichte" verkündet mitschmetterndem Drommetenschall den Sieg einer neuen Weltanschauung.Was wollen daneben preisgekrönte Epigonendramen bedeuten, wiesie der arme Albert Lindner (1831—1883) schrieb? Kein Schiller-preis konnte sie vor raschem Veralten und Vergessen sichern. Fr.Th. Wischers Faustparodie gar, au sich nicht ohne Größe, wurdedurch den lärmenden Erfolg bei einer zu ernster Vertiefung inGoethes höchste Werke unlustigeu Menge ein böses Symptom für dieFlachheit und Kunstentfremdung einer rasch zu der Bühne derLindan und Blumenthal herabgleitenden Zeit.
Fernab von dem gerade in jenen Jahren bis zum Überdrußgepriesenen „deutschen Idealismus" erstanden große Künstler undältere Meister, Flaubert, Turgenjew , gaben ihr Reifstes und Bestes.Aber die Zeit war noch nicht gekommen, da sie, da Renan, dieGoneourts, Zola, da Ibsen auf die deutsche Litteratur wirkensollten.
War es denn ganz nnd gar eine für die litterarische Ent-wickelung verlorene Zeit?
Keineswegs. Wissenschaftliche und politische Interessen fachtenendlich wieder große Leidenschaften an
Und um der Menschheit große Gegenstände,Um Herrschaft und um Freiheit wird gerungen.
Mag immer bei dem größten Bürgerkrieg, den die Welt sah,das materielle Interesse der amerikanischen Nord- und Südstaatensein gewichtiges Wort mitgesprochen haben — die edle Begeisterungder Sklavenbefreier hatte doch einen noch größeren Anteil an jenemruhmvollen Kampf, der die letzte der großen Nationen erst rechtzur Einheit schuf. Noch stärkeren Anteil hatte aufrichtiger Idealis-mus an der großen That des Kaisers Alexander, der die Leibeigen-schaft aufhob. Das waren Thaten, die begeisternd wirkten undihren Einfluß auch der Litteratur nicht vorenthalten konnten, mochtenauch für den Denker und den Dichter des amerikanischen Kriegs,sür Ralph Waldo Emerson (1803—1882) und für Walt Whit-man (1819—1892) Herman Grimm (1865) und Ferdinand Freilig-rath (1868) vergeblich mit beredten Worten in Deutschland werben.Viel stärker und unmittelbarer aber war der Eindruck, den diehomerische Großartigkeit der Züge Garibaldis , sein heroisches Auf-treten, seine wunderbaren Siege machten. Hier fand man endlichwieder, was seit den Freiheitskriegen vergeblich ersehnt war, daß