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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
655
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Heinrich Noiz. Die Grübler. 655

in einein engen Feld hielt. Jetzt ist es mehr Absicht. Die Autorenwissen: hiermit haben wir Glück wobei nicht immer an dasäußerliche Glück beim Publikum gedacht werden muß. Sie wollenes zu etwas bringen; sie wollen nicht, ihren Eingebungen wahllosgehorchend, ihre Kräfte zersplittern. Versuchen sie es später doch,über ihr Eigengebiet hinauszukommen, so zeigt sich zumeist, daß ihrfrüheres Gefühl recht hatte.

Aber neben diesen praktisch-energischen Naturen dauern dieGrübler fort. Die neue Weltanschauung, die Lehre von der Pflichtdes Kampfes, ist doch noch nicht ganz dnrchgedruugen. Noch immergiebt es Männer, denen das Geheimnis der seelischen Entwickelungwichtiger ist als alles Wirken nach außen; denen alle Produktionnur Mittel zur Erkenntnis ist. Auch sie wollenden Widerstand derstumpfen Welt" besiegen, aber nicht durch stürmisches Vordringenwie Dühring und Haeckel und Treitschke, nicht durch systematischeAusnutzung persönlicher Vorteile und Erlebnisse wie Hopfen undVacano und Roberts. Sie sind nicht so groß wie jene, aber größerals diese. Sie sind noch in der Unbehaglichkeit der Zeitempfindungbefangen, aber sie wird in ihrer Dichtung fruchtbar, wird zur indi-viduellen Note. Die Propheten schaffen die neue Zeit; die Spe-zialistin richten sich in dem Übergang ein, wie die Goldschmiedein Florenz auf der Via äsi oretici ihre Buden auf der Brückehaben; diese nachdenklichen Lyriker aber verhelfen der absterbendenEpoche zu einem Nachgesang. Der Übergang von einer litterarisch-exklusiven zu einer naturalistisch-volkstümlichen Zeit erweckt deralten Zeit noch einige schöne Abschiedstöne. Vor den großenWerbern flüchten sie sich noch einmal in die Stille des engstenUmkreises, aber von hier blicken sie nachdenklich in die Welt undgrübeln ihren Gesetzen nach. Etwas Philosophisches haftet ihnenallen an, und etwas Melancholisches. Und eine stille Sehnsuchterfüllt sie, die doch vielleicht, ihnen unbewußt, ebendahin weist,wohin das laute Rufen der großen Werber geht.

Ferdinand von Saar (geb. 1833) aus Wien ist wie Robertsund Torresani (1859) aus dem Offizierstand in die Litteraturübergetreten. Es ist für den Charakter der Zeit, für ihrmacht-volles Rüsten", vielleicht nicht ohne Bedeutung, wie stark frühereMilitärs hervortreten: der Modcphilosoph, Eduard v. Hartmann,der Lyriker Greis, selbst in den Reihen der Konfliktsredner derGeneral Stavenhagen und der Major Beitzke gehören hierher;