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stirbt". Und zuletzt kommt sie („Unsere Nachbarn" 1888) zu Er-zählungen aus dem Wiener Leben, fast in dem mild-elegischen TonSaars, doch stärker romantisch gefärbt; aber die glühende Gewaltjener schneidenden Verzweiflung an der Welt ist besiegt oder dochverklungen.
Der dritte Schwanengesang des müden Pessimismus, fast imgleichen Jahre mit dem „Neuen Tanhäuser" und den „Liederneiner Verlorenen" ans Licht getreten, ist die vergessene und kaumje recht beachtete Anfängergabe eines Dichters von großer Eutwicke-lungsfähigkeit. Josef Viktor Widmann (geb. 1842 zu Nenno-witz in Mähren ), der Sohn eines zum Protestantismus über-getretenen katholischen Geistlichen, der dann in der Schweiz seineHeimat fand, hatte zwar schon vor dem „Buddha" (1869) Dramenin klassischem Stil geschrieben; aber erst jenes philosophische Eposoffenbarte seine Eigenart. Widmann ist ein begeisterter Schwärmerfür all die Schönheit dieser Welt. Das macht seine Reiseplaude-reien („Rektor Müslins italienische Reise" 1381, „Jenseits desGotthard" 1888, „Sommerwanderungen und Winterfahrten" 1896)so liebenswürdig; das giebt aber auch schon seinen Schilderungender nie erblickten indischen Landschaft Glut uud Farbe. Allein zudem ästhetischen Optimismus, der in der sichtbaren Welt nur Schön-heit und Pracht erblickt, steht sein ethischer Pessimismus in schneiden-dem Widerspruch. Gewiß hat er selbst lange gerungen und denGott in der Natur gesucht:
Und Gott kam nicht! knin nicht im Abendglühen,Das niederstrahlte von der Berge Kranz,Kam mit den Blumen nicht, die nachts nnr blühen,Wenn auf den Gräsern zittert MondeSglanz.
Da hat er dann, gepreßten Herzens, in deu Lobgesaug derheiligen Sterne den Schrei ans dunkeler Erdenferne hineingellenhören, und wild warf er die Frage hin:
Darf eine Welt mit solchem Glanz sich schmücken,Die nichts doch hat, im Leid uns zu beglücken?
Ein Vierteljahrhundert später kehrt er in der geistreichen„Maikäferkomödie" (1897) zu demselben Ausruf zurück, zu Shake-speares Klage: Wir sind den Göttern, was den Menschen Fliegen— sie töten uns zum Scherz. Immer wieder tapferes Ringender armen kleinen Wesen — immer wieder der grausige Tritt desSchicksals, des Ungeheuers mit dem plumpen nagelbesetzten Riesen-