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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18701880.

machen: nicht immer weiß er die Berichte über das Thatsächlicheganz in die Stimmung des Erfundenen aufzulösen; aber es brauchtnur eine seiuer Figuren wieder zu erscheinen, der prächtige alteStiftsvogt mit seinem pessimiftisch-hoffendenNa Gott bessers!",der streitbare Pfarrer offenbar Pcmtenins' Liebling odersein unwürdiger Amtsgenosse gleich sind wir schon wieder inder Illusion des Mitlebens. Mag auch der Verfasser in archaistischerund dialektischer Rede des guten zu viel thun und uns erst nurerraten lassen, wasTolk " undKause",Welpe" undGorre",geschmächtigen" undauüsten" bedeutet die Charaktere verstehenwir dafür nm so schneller in ihrer klaren und doch nirgendsaußer etwa bei der frommen, heimlich liebenden Jnngfraukonventionellen Zeichnung. Uud das ganze Buch hat auch, wiejedes Werk einer starken Individualität, seine eigene Atmosphäre.Ein kräftiger, fchlichter Gottesglaube, eine entschiedene christlicheReligiosität, ein konservativ germanischer Geist dnrchdringt nichtnur die Hauptgestalten, sondern auch die Geschichte selbst. Keinenges Eifern aber der Schmerz der Liebe, ein verhaltener Zorn,eine stille Hoffnung sie lassen uns die politischen Fehden desDeutschen Ordens , der Bischöfe, der Städte, der Eingeborenen wieein Schicksal, das wir miterleben, nahe vor die Seele treten.

Und dieselbe Zeit, die jin den historischen Roman einen kräf-tigen realistischen Zug brachte, hat sie auch in die sonst jedemRealismus uoch strenger verschlossenen Gebiete der Lyrik getragen.Schon hier mnß der Name von Pautenius' Altersgenossen Detlevv. Liliencron (geb. 1844) genannt werden, obwohl seine litterarischenAnfänge erst in das nächste Jahrzehnt fallen. Aber in seiner Freudean realistischen Kampfschilderungen und nicht minder realistischen Ge-lage bildern, in seiner kräftigen Originalität und seiner patriotischenTendenz ist der Schleswig-Holsteiner mit dem Kurländer innigstverwandt. Auch seine Dichtung streckt, wie die von Voß undWildenbruch, ihre Wurzeln in den mit Heldenblut getränkten Bodeirdes großen Krieges; aber dennoch gehörten noch andere Umständedazu, ehe, spät wie C. F. Meyer, dieser merkwürdige Lyriker seineNuhmesbahn fand.

Zwei andere Lyriker, jünger als er, sind viel früher mit ihrenDichtungen hervorgetreten. Noch erlaubte die Zeit einem realistischenPoeten nicht den vollen Mut seiner Eigenart; aber die Nachfahrender Romantik fanden anch kein lantes Echo mehr. Ein später