Print 
Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Place and Date of Creation
Page
713
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

Borläufer der neuen Lyrik.

713

Nachahmer Brentanos und ein später Byronmner, so stehen Georgv. Dyherrn und Emil v. Schönaich nebeneinander. Es ist vielleichtkein Zufall, daß beide, wie Wildenbruch und Liliencron , altenAdelsfamilien angehören. Etwas konservative Tradition ist auchin ihrer Kunst.

Georg Frhr. v. Dyherrn (18481878) aus Glogau wareine Natur, in der sich wie bei Clemens Brentauo wilde Leidenschaft-lichkeit und inniges Einschmiegen seltsam mischten. Der Übertrittzur katholischen Kirche (1875) konnte seines Herzens Unruhe nichtganz stillen, obwohl wenigstens sein religiöses Suchen hier Friedenfand. Melancholisch blieb auch der Bekehrte; aber der mit seinenpatriotischen Zeitgedichten (Dem Kaiserssohn ein Lorbeerblatt"1871) ein Dilettant geblieben war, der offenbarte sich in seinenletzten Gedichtsammlungen (Auf hoher Flut" 1880,Aus klaremBorn" 1882 erschienen) als einen Dichter von seltener Innigkeitund einer an Brentano gemahnenden Süße. Aber auch ein schlichter,volkstümlicher Ton, wie er dem Romantiker, so sehr er nach demVolkston sucht, selten gelingt, steht ihm zu Gebote, vor allein, woer sichnaturtruuken" in Wald uud Berge einfühlt und dieStimmung fast so zart wie Auuette v. Droste wiederzugebenweiß. Ein großes und liebenswürdiges Talent hat sich mitDyherrn der Beachtnng seines Volkes zu stolz und dann zufrüh entzogen.

Nur die.Nervosität und die Romantik teilt mit DyherrnPrinz Emil v. Schönaich-Carolath (geb. 1852) ans Breslan,ein Dichter, der wohl geeignet ist, an dem Namen seiner Familiedie etwas lächerliche Berühmtheit des xoetg. 1g.nrsg.tus von Gott-scheds Gnaden, jenes Schönaich, der Arminium besang, zu vergüteu.Zwar Heroen preist auch dieser Schönaich am liebsten; aber ihreArt ist von der des Nömerbesiegers so weit entfernt, wie die lyrischePracht des modernen von der epischen Trockenheit des schon inLessings Tagen unmodernen Poeten. Er begann mitLiedern aneine Verlorene" (1878), und große Sünder sind immer die Lieblingeseiner Poesie. Aber wie Franz Stnck malt er die Sünde fnrcht-bar, aber doch verlockend; abschreckend schön. Es ist etwas vomBlute Byrons in diesenDichtungen" (1883), die sich so leiden-schaftlich in das Geheimuis der zerstörenden Liebesmacht einwühlenund die Reflexion doch fast immer in prächtige, nur zuweilen über-ladene Bilder, in echt lyrische Herzensschreie aufzulösen wissen.