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1870-1880.
Bilder sind es, die an den mystisch-wilden Zauber der Moreauund Nops fast mehr noch erinnern, als an germanische Vorbilder.Dann daneben, einfach, kräftig, altmodisch fast, ein Lied der Liebezum Vaterland („O Deutschland!"), das die Heimat wie Thomamalt, patriarchalisch, mit symbolischer Umrahmung; oder einfacheStimmungsbilder („Die verlassene Villa"), am liebsten im Kostümdes Rokoko. Unverständlich kann er werden, wem? Gedanken undEmpfindungen sich zu hastig auf die Lippe drängen; aber eins wirder nie, was in allen Landen der Lyriker am leichtesten wird:trivial.
Nach Krastnatnren sehnen sich diese Dichter, und nach Thaten,wie sie nur solchen gegönnt sind. Sie berauschen sich in der Vor-stellung übermenschlicher Leistungen, mögen sie bei den Menschender Masse auch Thorheiten heißen oder Sünden. Das ist auchRomantik; das ist der Heroen- und Geniekultns Schopenhauers .Aus ihm ging der größte unter den Kämpfern gegen ihre Zeithervor, der strahlendste Feind aller Flachheit, alles Massendienstes,der große Prophet des starken Einzelnen: Friedrich Nietzsche.
Friedrich Nietzsche (geb. 15. Oktober 1844), der Pfarrers-sohn ans Nanmbnrg, vertritt am augenfälligsten jenes Merkmalder „neuen Generation": er baut keine Systeme. Innere Gründehinderten ihn: sein leidenschaftlicher Entwickelungseifer — und feingroßartiger Realismus. Denn in der Methode ist dieser feurigsteIdealist seiner Zeit Realist dnrch und durch.
Ihn hindert vor allem sein leidenschaftlicher Entwickelungseifer.Nichts charakterisiert den Menschen Nietzsche mehr als diese Eigen-schaft. Die Wonne, zu lernen, umzulernen, lernend sich umzn-schaffen, wird bei ihm zur herrschenden Leidenschaft.
In einer Atmosphäre echter altgläubiger Frömmigkeit wächstdas kluge Kind auf und ist tief beschämt, als die fromme Missio-narin aus Herrnhut es lobt, weil es für die schwarzen Heidenkinderseine besten Spielsachen hergegeben habe: in Wirklichkeit waren esnur die zweitbesten gewesen. Freilich reicht auch die Philosophiein die Tradition der Familie hinein: Arnold Rüge, der patriotischeund freigeistige Führer der Junghegeliauer, hatte in zweiter Eheeine Nietzsche gefreit. — In dem steifen alten Nanmbnrg unterRäten und Nätinnen lernt er eifrig, was ihm zum Lernen vorge-setzt wird; daneben dichtet er früh, und sein Wunschzettel enthältnur Musiknoten. Bald gelangt er in die berühmte Landesschule