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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
735
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-Carl Spitteler . 735

Schärfe sind die Satiren derExtramundana", derLitterarischenGleichnisse", derBalladen". Aber er bleibt dabei nicht stehen.Er will das große Problem der Realität in ihrem schillernden Glänze,in ihren verlockenden Widersprüchen, in ihrer unentwirrbaren Machtauch positiv bewältigen. Das ist für den künstlerisch angelegtenMenschen nur mit dem uralten Zaubermittel der Mythologie möglich.Als Mytholog fühlt sich auch Spitteler. Sein ältestes Werk,Prome-theus und Epimetheus ", ist ein großes und ziemlich wirres Nesterfundener Mytheu.Was der Dichter eigentlich will", schriebGottsried Keller an Josef Viktor Widmann ,weiß ich nach zwei-maliger Lektüre nicht. Trotz aller Dunkelheit uud Unsicherheit aberfühle ich alles mit und empfinde die tiefe Poesie darin". Oft er-innern diedunkeln Gebilde" an den Ton desZarathustra ", wennetwa eine dicke Dummheit am Boden kriecht,nnd war von Herzeneine echte Dummheit, grün und gelb mit Schleim und Warzenübermalt". Noch mehrRätsel", noch wenigerGedichte" sind,trotz Spittelers Verteidigung, dieExtramundana" mit ihrer allznmühsam gesuchten dnmpfen Kunst.

Eine neue Stufe bedeuten dieSchmetterlinge" (1889), dieLitterarischen Gleichnisse" (1892) undBalladen" (1896).Die Titel der beiden letzten führen irre; fie sind aus einem ge-wissen Trotz heraus so eigensinnig gewählt. DieGleichnisse" unddieBalladen" sind Parabeln, in denen der Verfasser seine Welt-anschannng in der Form einer knappen Erzählung vorführt. Balladenim engern Sinne fehlen zwar nicht, aber auch sie sind lehrhaft ge-meint. Überall kommt es Spitteler darauf an, eine einzelne gc-meingiltige Erfahrung von zwei oder drei Typen wirksam, wie einSchattenspiel an der Wand, darstellen M lassen. Wie der VerräterChristi zum fanatischen Orthodoxen wird (Das Testament des JudasJschariot"), wie die voreilige Streberei von der phlegmatischen So-lidität überholt wird (Swinegel und Hase"), wie eine königlicheNatur alle Not eher trägt, als daß sie sich zu einer häßlichen Ge-bärde zwingen ließe (Parysatis" alle aus denLitterarischenGleichnissen"), am liebsten, wie ein hoher königlicher Geist unterdem Druck der herrschenden Alltäglichkeit leidet (Nur ein König",Die traurige Geschichte vom goldenen Goldschmied"), das wird inpackenden Bildern vorgeführt. Dann aber geht der Dichter vomtypischen Menschenschicksal hier nicht nur ins Weitere, sondern auchins Engere. Sein Vaterland wird ihm fast ein Abbild der ersehnten