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1870-1880,
Blütenlesen aus spanischen und persischen Dichtern (1883, 1885)veröffentlicht hatte, ist auch in seinem eigenen Gedichtbuch „San-sara" (1878) ein Eklektiker im alten Münchener Stil. Was ihnauszeichnet, die grübelnde philosophische Weltbetrachtnng, das hebtihn wohl über kleine Dichterlinge des Tages, aber doch nichtzu der Höhe eiuer Lyrik philosophischer Anschauung, wie sie Goethe,Leopardi , Nietzsche gelang. Einheitlicher hebt er in „Romo 8uw"(1888) und dem an ergreifenden Tönen lyrischer Grübelei nichtarmen neuesten Brevier „Triumph des Lebens" (1899)„ringende Flügel des inbrünstigen Aufschwungs zum Ewigen,schwärmende Augen sonntäglicher Schönheitssehnsucht, grüblerischeLeidenschaft eines geprüften Herzens aus Kampf und grauen: Dunstder Weltstadt den immergrünen Höhen eines unberührten, geheiligtenDaseins entgegen", um Karl Henckells poetische Charakteristik zucitieren. Aber einen neuen Ton hat er doch auch hier nicht ge-funden. Er habe, lehrt man, die Poesie der Großstadt in Gedichtenwie „Berlin " entdeckt. Entdeckt war sie längst von Franzosen undEngländern, und in ihrer realistischen Größe, während Hart wieein Romantiker das große Ungetüm durch Vergleiche mit Meer undSchiffergeschrei glaubt poetisieren zu müssen.
Poetisch wirkt Julius Hart viel eher, wenn er philosophiert.„Der neue Gott" (1899), sein großes Glaubensbekenntnis, hatStellen von hinreißendem Schwung, da vor allem, wo seine religiöseÜberzeugung „die Welt ist Gott , und der Mensch ist die Welt" Aus-druck verlangt. Er kämpft hier leidenschaftlich gegen Nietzsche; undgerade hier zeigt er, wie nah er ihm verwandt ist. Die glühendeSehnsucht nach einer neuen Zeit, nach einer größeren Menschheitteilen beide und das Vertrauen, eine von großen Geistern planvollgeleitete Entwickelung könne dorthin führen; die Verachtung derVielzuvielen und die fast krankhafte Geringschätzung der eigenenZeit teilen sie; die Neigung, mit großen Antithesen aufzuteilen, unddie starken Ausdrücke für „überwundene" Anschauungen nicht minder.Das fließt aus der Seele selbst, während die stilistischen Ähnlich-keiten, die kurzen Sätze, die poetische Einkleidung abstrakter Vor-stellungen Hart erst von Nietzsche erlernt zu haben scheint. Immer-hin — er lernte, ohne unterzugehen. Der begeisterte Verehrer dergroßen Wissenschaft, der im Grunde der Seele demokratische Groß-stadtbewunderer mußte Nietzsche opponieren. Und auch wo er ihnmißversteht, bleibt er ein würdiger Widersacher. Zu den Vielzuvielen