74g 1870—1880.

Laube. Auch ihre stark moralisierende Tendenz. Denn wenn einerdie alte Moral angreift und sie veraltet, unsittlich schilt, so ist ereben selbst ein Moralist — heiße er nun Friedrich Schlegel oderKarl Gutzkow, Friedrich Nietzsche oder Julius Hart .

Persönlich vor allem haben die Brüder Hart stark gewirkt.Man hat geradezu die deutsche realistische Bewegung von ihrem Auf-treten datiert — was zu äußerlich ist, aber oum Arg.no salis nichtganz 'ohne Berechtigung. Im Sommer 1883, erzählt AlexanderTille, bildete sich um die Brüder ein kleiner litterarischer Kreis.„Es waren meist Studenten der Universität Berlin, und bald stiegihre Zahl auf zwanzig. Die Brüder Hart waren die leitenden Geister;aber der Kreis enthielt außer ihnen noch eine Reihe hochbegabterLyriker, wie Karl Henckell, Hermann Conradi, Arno Holz undOtto Erich Hartleben". Auch Gerhart Hauptmaun ging von diesem„Friedrichshagener" Kreise aus. Eine Anzahl Zeitschriften, wieMichael Georg Conrads „Gesellschaft" (seit 1885), ward zum Or-gan der neuen Richtung und zum Sammelplatz der jungen Lyrikund Kritik. Man darf wohl sagen, daß die Organisation der neuenKunstrichtung von den Brüdern Hart ausging.

Michael Georg Conrad ( geb. 1846) selbst gehört zu jeuenUnentbehrlichen, die in einem Kreis aufstrebender Talente mehrdurch ihre selbstbewußte Persönlichkeit, durch eine gewisse Anlagezum Kommandieren, Redigieren, Organisieren eine große Rollespielen, als daß sie eigentlich an sich viel zu bedeuten hätten. Alspolitischer und pädagogischer Agitationsschriftsteller („Erziehung desVolkes zur Freiheit" 1870 „Flammen für freie Geister" 1878„Deutsche Weckrnfe" 1890 „Der Übermensch in der Politik" 1894)ist er mehr laut als tief und als Kritiker und Feuilletonist („Pumpa-nella" 1889 „Ketzerblut" 1892) läßt er sich erst recht jener Klassevon Journalisten zurechnen, von denen Berthold Auerbach sagte:sie schreien schwarz auf weiß. Als Erzähler („Totentanz der Liebe"1884 „Was die Jsar rauscht" 1887) besitzt er ein gewisses zupacken-des Talent, das etwa Hopfens Art verbreitert und ins Derbereübersetzt zeigt: überall jene ungemütliche Gemütlichkeit, bei der derErzähler oder Kritiker uns mit der breiten Faust auf die Schulterschlägt, um alle fünf Minuten zu sagen: „Gelt, ich bin ein Pracht-kerl." Die mächtige Bauernfigur mit der schönen hohen Stirn ge-hört zum Ganzen.

Conrad mit seiner breiten bajuwarischen Manier neigt überall