^ranzvs' Bedeutung.
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tiefer und fester eingerammte Grenzpfähle wollte die Sehnsuchtdieser Männer nach Aufgehen im Deutschtum einreihen. Dahereine Innigkeit der Liebe zur deutschen Kultur, die den reichen Erbendieses unschätzbaren Gutes kaum begreiflich war; eine Heftigkeit, dieoft genug zu weit sprang und sich in Form- und Maßlosigkeiten(zumal bei Beck) verriet; ward sie aber zu milder Weisheit ge-bändigt, so entstand rührend Schönes bei Kompert, bei Lorm. —Diese aus der Zeitlage heraus erwachsende Energie des Verlangensward nun vielfach noch durch das heißere Temperament des Ungarn oder Polen oder Tschechen gesteigert. „Durchaus und begreiflicher-weise", sagt jener österreichische Literarhistoriker, „beherrscht sie dieTendenz der Emanzipation . . Die Romantik nimmt bei ihnen gerndie Gestalt des Elegischen an": natürlich, bei dem tiefen Konfliktzwischen Wunsch und Wahrheit. Mit all dem ist K. E. Franzos charakterisiert.
Ein Agitator ist er jederzeit in seinem litterarischen Wirkengeblieben. Mit ganzem Herzen hängt er an jenem Ideal: an einerZukunft, die nicht mehr all die brennenden Merkmale der Rassen,Religionen, Stäude kennt — nur Deutsche , nur Menschen. Oftgenug wird die Tendenz seinen Werken hinderlich. Ein groß-angelegter Roman wie „Judith Trachtenberg" (1890) wird zuletztwie ein Prozeß behandelt, den die Heldin gegen alle Welt führt: demadvokatorischen Eifer des Dichters verschieben sich alle Verhältnisse,verwischt sich alle Psychologie. Schilderungen wie die vom EinzugJudiths in ihre Heimat klingen wie aus einem Plaidoyer geschnitten,so völlig hat der subjektive Wunsch, die Heldin gewisse Wirkungenhervorbringen zu lassen, alle Rücksicht auf Wahrscheinlichkeit derErzählung vergessen lassen. Wo dagegen auf einem fast episch ge-haltenen Rahmen die Grundidee Franzos , die von dem „höherenRecht", ohne die specifische Anwendung auf jüdische VerhältnisseRaum findet, wie in dem „Kampf ums Recht" (1881), der Geschichteeines bäurischen Michael Kohlhaas der Bukowina , da gelingen ihmstarke Effekte. Hier genügt jene ethnologische Kollektivpsychologie,die er meisterhaft beherrscht, die aber freilich auch ihn so beherrscht,daß seine polnischen Edelleute mit ihren lüsternen Frauen, seinebestechlichen slavischen oder grundehrlichen deutschen Beamten sichalle ähnlich sehen; und hier genügt der starke Ansturm eines ein-zigen Motives, während Franzos sonst gern eine verkünstelte Problem-dichtung aufwickelt („Der Präsident" 1833).