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1880-1890.
mächtig aber auch den mißleiteten Idealisten Sand hin, den MörderKotzebues . Und die typische Sühne einer einfachen, aber starkenSeele („Pierre Andre") tritt erschütternd vor unsere Augen.
Seine Lehrthätigkeit in Halle und Berlin brachte ihm Dankvon den Hörern, keinen Dank von oben. Er ging rnhig weiter;und starb jung, 30 Jahre alt, an einer plötzlich eingetretenen Herz-krankheit. Ob Enttäuschungen mitspielten? Nicht jeder erträgt dieleisen stetigen Tropfen der Ablehnung und Demütigung, wenn sieTropfen für Tropsen auf seinen Wirbel herabfallen ohne Wechsel. „Istes erstaunlich", heißt es in Coßmanns geistreichen Aphorismen, „wennein Schiff, das immer geradeaus segelt, untergeht?" Vielleicht wares besser so. Der Idealist ward früh geborgen „vor der WeltUnfläterei". Und wir gedenken des Wortes, das den Nachlaßbandschließt: „Glaube an die Erlösten!"
Von den Franzosen, von Gobineau , mehr noch von Taine hatanch Wilhelm Weigand (geb. 1862) gelernt, ein kenntnisreichernnd feinsinniger Essayist („Essays" 1894), ein Psycholog mit liebe-voll nachspürendem Verständnis („Friedrich Nietzsche, ein psycholo-gischer Versuch" 1893), als Dichter („Rügelieder" 1892) nur einbegabter Dilettant mit einigem satirischen Talent („Der Wahl-kandidat" 1893). Als Ästhetiker gehört er zu den Kunstgläubigenund Dogmenuugläubigen. Wertvoll an den Werken eines Künstlersist ihm das persönliche Element; die unpersönliche Kritik des„wissenschaftlichen Menschen" haßt er wie Nietzsche . Und so klingtseine geistreiche Streitschrift „Das Elend der Kritik" (1895) ausim Geniekultus. „Das tiefste Elend der Kritik besteht darin, daßsie immer wieder in Dogmatismus verfällt. Vor dem Unwesender Kritiker bleibt allen Verehrern der Lebensfülle keine Rettungals die Natur und ihre würdigste Auslegerin, die Kunst, die derMenschheit die Herrlichkeit einer sicheren Zukunft verbürgt."Energischer noch vertrat Conrad Fiedler (1841—1895) diesenStandpunkt, daß nur die Künstler als die großen Suchenden immerrecht haben, die Kritiker als vermeintliche Finder und Nechtbesitzernie; daß das Publikum — wie auch Heinrich von Stein lehrt —seine Aufgabe nnr findet in dem „produktiven Genuß", in einerfromm sich versenkenden Betrachtung der Kunstwerke, die sie imGemüt des Beschauers lebendig und wirksam werden läßt. Heftigwendet sich auch Fiedler gegen die Gegenwart und besonders ihrKunstleben; da selbst wo andere gesunde Zeichen von Anteil und