Heinrich r>, 'stein.
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wie schon die früher erschienenen Vorlesungen „Goethe nnd Schiller.Beitrüge zur Ästhetik der deutschen Klassiker" eine Kunstlehrc vor,die viel moderner ist als die Wagners . Kunst ist ihm intensives Leben.Das Stoffliche ganz zu bewältigen und in dieser Bewältigung dieeigeue große Seele kundzugeben — das ist ihm das Wesender Kunst.
Aus diesen Anschannngen heraus drängte es ihn, sich auchselbst in der Bewältigung des Stofflichen zu bethätigen. Der neueHeroenkult und das Wirklichkeitsbedürfnis der Zeit finden sichcharakteristisch zusammen, wenn er sagt: „Das Wesen der Weltläßt sich nie in eine Formel fassen, wohl aber stellt es sich in großenPersönlichkeiten kräftig und deutlich dar". In „rsxressuwtivs inen"also suchte er, wie einst Emerson, Herman Grimms Liebling,die Welt zu erfassen. So erschienen „Helden und Welt" (1883),durch eineu Brief Richard Wagners eingeführt, dann „Aus demNachlaß von Heinrich v. Stein: Dramatische Bilder und Er-zählungen" (1888). In dem älteren Buch ist die Form noch ostunbeholfen, die Rede schwülstig; in dem Nachlaßband einfach, schlicht,packend. Als Vorbild dienten die Scenenfolgen des WagnerianersGraf Gobineau „Die Renaissance" (1877; übersetzt von LudwigSchemann ), die ihrerseits von den dramatischen Scenen LudovicVitets (1802 — 1873: „I,g, liZuö" 1826—1829) abhängig waren.
Steins merkwürdige dramatische Bilder und Erzählungen sinddidaktisch im hvhern Sinne. „Der durch die Kunst zum Schauenbefähigte Blick ist der Wirklichkeit zu weiser Lebensführung zuzu-wenden. Die Weltauschauuug, welche ein solcher Blick gewinnt,ersieht sich kenntliche Gestalten aus dem Wirrsal der Geschichte.Die Worte, welche dem also sich Besinnenden aus diesem Wirrsalheraus veruehmbar werden, befähigen dann ferner zu Begriff undUrteil über die historische Gegenwart." Von seinen Figuren alsowill er, wie Hebbel, lernen. Etwas von der experimentalen MethodeIbsens liegt auch in diesem Geisterbeschwören; mehr noch von derSehnsucht, überlebensgroße Gestalten zu sehen, zu hören.
Sie bleibt nicht unbelohnt. Die Heiligen, die ihn um derEnergie ihrer Willensbethätigung wegen anziehen; die Helden, diewie Offenbarungen des Ewigen in diese „Welt" hineinragen, ganzstark in einer Empfindung lebend, weiß er in ihrer Größe „lebig"zu macheu, wie Dauuecker die Büste Schillers „lebig" schuf. Er-greifend stellt er die heilige Elisabeth, packend die heilige Katharina,