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1880—18S0.
dieser neigt zu einem gesuchten Stil, jener liebt das Natürlichegelegentlich bis zur Formlosigkeit zu steigern. So ergänzen sie sichund ergänzen beide durch die Konsequenz ihrer litterarischen undvor allem dramaturgischen Realpolitik die unbestimmteren Anregungender Brüder Hart oder Hermann Bahrs .
Andere Ästhetiker schließen sich an. Da ist Richard v. Kralik(geb. 1852), ein geistreicher Populärphilosoph von großen Gesichts-punkten und energischer Willkür („Weltschvnheit", Ästhetik 1893,„Weltgerechtigkeit", Ethik 1894, ,,Weltwissenschaft", Metaphysik1895), vielfach thätig als Kunstfreund („Kuustbüchlein" 1891),Sammler („Deutsche Puppeuspiele" 1894), Erneuerer alter Kunst-sormcn („Weihnachtsspicl", ein Mysterium 1893; „Osterfestspiel"1894—1895; „Das Volksschauspiel von Dr. Faust erneuert" 1895);überall ein leidenschaftlicher Verfechter des nationalen Gedankens(„Wesen und weltgeschichtliche Bedeutung des Germanentums"1895) bei ausgesprochen katholischer Richtung. — Thüringer wieNietzsche, wie er ein Schüler von Schopenhauer , Dühring undRichard Waguer, vertritt Heinrich v. Stein (1857—1887) ausKoburg den edelsten Typus dieses Jahrzehnts in klassischer Schön-heit — eine so reine und edle Jünglingsgestalt, daß er die Freundean die idealen Jünglinge Jean Pauls erinnerte. Aus dem Materialis-mus („Ideale des Materialismus von Armand Pensier", 1878) undder Abhängigkeit von Dühring arbeitete er sich zum Glauben andas neue Ideal durch. „Und wenn nun ein reicher Boden sicheinem besonnenen, kräftig geeinten Geschlechte auf einmal herrlicherschlösse, dann bräche wohl wirklich ein solches Tagen herein:ein Staat ans gemeinsamer Arbeit in heiliger Freundschaft, undein Volk, dem durch Liebe und edelste Natur der Sitte schöneVollkommenheit stärker als der Bann der Eide gälte" — so läßter den weisesten der Hellenen das Bild der Übcrmenschheit malen.Er bleibt dabei immer, wie Franz Servaes in einem aus-gezeichneten Aufsatz über den viel zu wenig bekannten herrlichenMann hervorhebt, Schüler Dührings. Von ihm hat er gelernt:„Lebensmut will mehr sagen als Todesmut". Der Wirklichkeitcrgiebt auch er sich, wie Dühring, und mehr noch, leidenschaftlich,liebend, wie Nietzsche . Daraus erwuchs ihm seine Ästhetik. AlsHauslehrer von Wagners Sohn Siegsried trat er dem Meisternäher und sog begierig den Atem des Genies ein; im wesentlichentragen dennoch seine „Vorlesnngen über Ästhetik" (herausgegeben 1897)