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heißt es von jetzt ab; bei der Frau ist es Schicksal. Alle dietrivialen Alltäglichkeiten: „die Wäsche! das Wirtschaftsbuch, dasZimmer reinigen! das Geldansgeben! die Zeiteinteilung! das Heizen!die unendlich vielen Mahlzeiten!" — das waren sonst Gespensterfür jegliche höher strebeude Seele; nun aber ist es die Frau allein,der der Mann dies Joch ausgezwungen hat. Und diese neue Auf-fassung muß bereits Ollys Gatte büßen.
Neben symbolischen Figuren treten, schon mit stärkerer Be-tonung des Symbolischen, Handlungen von allgemein sinnbildlicherBedeutung hervor, wie etwa die unvergeßliche Kreuziguugsscene im„Schöneu Valentin", die schlimme Wally-Seene in „Adam und Eva".Sie sind im „Nangierbahnhof" fast ganz von der Kraft der vor-wärtsbringenden Entwickelung beseitigt. Um so breiter werden unsdrittens die symbolischen Dinge, die eigentlichen „Symbole" vorge-halten. Der Rangierbahnhof als Sinnbild des rastlos schiebenden,prustenden, Staub, Schmutz, Lärm verbreitenden Lebens wird vier-mal, das Sinnbild des „Karpfensprungs" aber fünfmal vorgeführt;kleinere Symbole wie die Fledermaus, die — übrigens treff-liche und unvergleichlich erzählte — Gleichnisrede Köpperts von„Lallenstedt" begegnen ebenfalls wiederholt. Das ist viel zu viel,zu aufdringlich, zu absichtlich. Das setzt die selbstherrliche Bedeutungder einfachen Realität mit doktrinärer Heftigkeit zu der nur dienen-den Bedeutung des vergänglichen Gleichnisses herab. Hier kündigtsich schon der Fetischdienst mit dem Symbol an, den später Isolde<in „Adam und Eva") mit dem Totenschädel treibt.
Aber auch in seinen Schwächen bleibt das Werk bedeutsam.Der Mißbrauch von Tendenz und Symbol gehört eben zu deu Zeit-krankheiteu. Die Mischung von romantischer Knnstverehruug (dieganz selbstverständlich den Künstler als Typus des rechten Menschennimmt; daher von nnn an die vielen Künstlerromane) mit derbemRealismus ist erst recht sür die Periode bezeichnend. Schon daßder „Rangierbahnhof" ein Werk von so typischer Bedeutung ist,würde unsere längere Analyse rechtfertigen. Aber er ist mehr.Der „Rangierbahnhof" ist, nach meinem Urteil, neben Fontanes Werken — „Effi Briest " entstand gleichzeitig — die hervorragendsteLeistung überhaupt, die die neuere Litteratur Deutschlands uns aufepischem Gebiet geschenkt hat. Nur ein Buch kann — ich wieder-hole: nach meinem Urteil — einen Vergleich damit aushalten:„Ludols Ursleu" von Ricarda Huch , poetisch unvergleichlich reizvoller,