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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Charlotte Niese . Hans Hoffmnnn,

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älteren Romandichter nicht wesentlich emancipiert; vor allemerinnert seine Neigung, heiter-didaktische Geschichten auf demSchema des Chiasmus aufzubauen, und seine behagliche Freude anallerlei kuriosen Requisiten und Einzelzügen an W. H. Riehl.Die älteren Novellen zeigen eine Kraft (Der Hexenprediger"1883) und eine Phantasie (Im Lande der Phäaken" 1884,NeueKorfugeschichten" 1887), wie sie ihm später nicht mehr zu Gebotestand; die historische Novelle der Scheffel, Riehl, C. F. Meyer hatin ihm ohne Frage den begabtesten Fortsetzer gefunden. Im Romanversuchte auch er, wie so viele oder eigentlich alle echten Novellen-dichter, sich ohne großen Erfolg (Der eiserne Rittmeister" 1890);es entstand eben doch nur eine gedehnte Novelle, gedehnt vor allemdurch lange, wenn auch oft recht geistreiche Auseinandersetzungenüber Pflicht und Neigung. Dann kehrte er zur Heimatsnovellezurück (von der Telmann ausgegangen war) und schrieb mit flotterHand pommersche Novellen, in denen ein kräftiger Humor durchoft überflüssig tragische Schlüsse geschädigt wurde (Das Gymnasiumzu Stolpenburg" 1891). Als ein Epigone der Heyseschen Zeitverriet er sich auch im vaterländisch-historischen Roman (Widerden Kurfürsten" 1894) und im Märchen (Bozener Märchen undMären" 1896). Er teilt aber freilich mit jener Zeit auch dasBeste: die innere Poesie, das Bedürfnis nach Schönheit. Deshalbmischt er so gern und so liebenswürdig deutsche Innigkeit mit süd-ländischer Anmut, deshalb sucht er so gern die Grenzgebiete deutscherund italienischer Zunge auf; deshalb beschwört er gern Dichter-gestalten von verwandtem Temperament, Walther von der Vogelweide ,Goethe, Heine. Reizende Sätze gelingen seinem graziösen Stil:So drangen die Herzen schon leise ineinander, wie zwei jungeBäumchen bei ruhigem Windhauch mit den äußersten Zweigspitzenund Blättern sich sanft berühren und vermischen." Doch die Macht,die noch imHexenprediger" Stürme der Seele auswühlte, istjetzt gewichen; wir haben einen liebenswürdigen Erzähler alterSchule vor uns, der in diesen Zusammenhang derneuen Geistin alte Form" Tragenden überhaupt nicht gehörte ohne seineGedichte (Vom Lebenswege" 1892). Auch diese können wir zwarder Masse nach nur zu jenen liebenswürdigen Nebengeschenken derMuse rechnen, wie auch Jensen und andere Novellisten sievonFrühling zu Frühling" abgepflückt haben: sichere Form, eineanmutige Mischung von Ernst und Humor, vor allem eine ge-

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