794 1880—1890.

ist noch kaum je aus solcher Gruppe eine wirklich neue Kunsthervorgegangen; aber wie der Göttinger Hain der Lyrik Goethes,so hat auch der Friedrichshagener Kreis neuen Entfaltungen derLyrik Bahn gebrochen. Denn ein durchaus gesundes Gefühl lagdoch ihrem unklaren Streben nach „Modernität" zu Grunde.Dilettanten selbst im rein Technischen, durften sie dennoch dieMehrzahl der Tagespoeten Dilettanten nennen; sie hatten vorden reinen Bildungsdichtern die Innigkeit des poetischen Erlebensvoraus. Die „Moderne" war schließlich doch nur die Vertreterinder Wirklichkeit: das reale Leben wollte man intensiver erfassen,als das Münchener Epigonentum es that, das wirkliche, jetzt ebenvorhandene, greifbare Leben.

So wuchs aus der neu erwachenden Freude am Leben einkräftiger Realismus heraus. Ein heftiges Schelten auf die Welt,socialer Pessimismus, persönliche Byron-Allüren und nervösesSchmollen mit der Existenz können doch darüber nicht täuschen, daßsür diese jungen Leute die Realität wieder ganz neue, unentdeckteReize besaß. Sie beobachteten die Fledermaus und die Schank-mamsell mit der ganzen Entdeckerfreude Köpperts (im „Rangier-bahnhof"); sie führten ihre Entdeckungsreisen durch die NächstliegendeWirklichkeit mit der Naivetät eines Bauern vor, der zum ersten-mal eine Stadt sieht: so vor allen Karl Bleibtreu , dem dannmit Kneipenromanen Felix Holländer (geb. 1867: „Jesus undJudas" 1890) und besonders der stark „dekadente" SchnellschreiberHeinz Tovote (geb. 1864: „Im Liebesrausch" 1890, „Fallobst"1890) folgten; auch M. G. Conrads Bücher gehören zum Teilhierher. Holländer hat sich dann zu feinerer Kunst der Seelen-analyse entwickelt („Das letzte Glück" 1899), ohne doch den tendenziös„antiphiliströsen" Standpunkt zu Gunsten Fontanischer Objektivitätzu überwinden. Jedoch brachten fremde Einflüsse wie Murgers„soeiiös äs 1a vis 6s Lolreme" (deren Wirkung auf die JugendBierbaum in „Stilpe" verewigt hat) und besonders Maupassantsglänzend erzählte, aber von einer morschen Weltverachtung erfüllteGeschichten bei diesen sogenannten Naturalisten bald eine konventio-nelle Färbung hervor, die bei dem Schweden Ola Hansson (geb.1860: „Parias" 1890, „Alltagsfrauen" 1891), der noch seineLandsleute Striudberg und Garborg in die Mischung wars, zuunerträglicher Affektation ausartete.

Aber bei den Jungen selbst blieb man vor dieser raschen