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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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840
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840 18801890.

werden. Da machen gut gemeinte Warnungen dem unselbständigenJohannes Vockerat klar, was die Welt über ihn und die Freundindenkt. Irgend eine entschiedene Stellung kann er nicht einnehmen;der Gattin ist er entfremdet, die Freundin weiß er nicht zu halten so springt er, hilflos und verzagend, ins Wasser. Er ist sowenig wie Loth (in dem ersten Drama) ein Held; er ist ein Opfer,mindestens ein Ergebnis bestimmter Verhältnisse. Die Entwickelungder Zeit fordert Opfer; ueue Richtungen einer Nation können (wieScherer im Anschluß au Gervinus bemerkt, um Hölderlins trau-rigen Ausgang zu erklären) nicht ohne traurige Schicksale Einzelnerdurchgesetzt werden. Johannes Vockerat ist dem Tode bestimmt;in dem langen stillen Kampf mit den Seinen hat er seine Kräfteaufgezehrt gerade wie die arme Frau die ihren. EinsameMenschen waren sie im Zusammenleben. Sobald eine neue Er-scheinung das Verhältnis fühlbar macht, muß Johannes sich zueiner letzten Anstrengung aufraffen und daran verbluten.

Eine Krankheitsgeschichte ist es im Grunde so gut wie dieFamilie Selicke" oderMeister Ölze": es ist die Geschichte eineskranken Willens, der sich endlich ganz verneint. Gerade in derunmännlichen" Nervosität, dem Auf und Ab von großen Hoff-nungen und kleinmütigem Nachgeben ist Johannes Vockerat einetypische Figur, für die es Hauptmann beim Studium seiuer Mit-strebenden an Modellen nicht fehlen konnte. Hieraus entspringenauch die seltsamen Verhältnisse dieses treu-untreuen Ehelebens, dieiu derVersunkenen Glocke" wiederkehren: Verhältnisse, wie dieGenies und Titanen der jnngdeutschen Zeit, Pückler, Gutzkow , vorallen fast paradigmatisch Friedrich Rohmer sie durchlebt haben.Die Alten sind kräftig, einheitlich: das prächtige Paar der ElternVockerat; die Jungen sind angekränkelt, alle, Johannes so gut wieseine Gattin und auch seine Freundin. Ein Übergangszustand istes, der mit großer Feinheit geschildert wird; die Gespräche überden hypernervösen russischen Schriftsteller Garschin , die anmutigeBienenscene alles malt die Nervosität eines erregten Zustandes.Aber dramatisch im eigentlichen Sinne des Wortes ist hier nichts.Momente wie die Liebesscene iuVor Sonnenaufgang ", wie dieDemütigung des Sohnes vor dem Vater imFriedensfest" fehlen;iu dieser Atmosphäre gedeiht eben kein Handeln außer demSelbstmord.

DasFriedensfest" hat in der Litteratur wenig,Einsame