„Die Weber",
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Menschen" vielfache Nachahmung gefunden. Maischten Parodiertcauch dies Stück iu seiner Art mit fünf Scenen: „Martin Lehnhardt"(1894). Aber auch Neuling im „Stärkeren" und Max Halbe in„Mutter Erde" sind von dem Schema der „Einsamen Menschen"besonders beeinflußt. Das Drama ist das typische Gemälde desnervösen Bilduugsaristokraten geworden, uud die Feinheit derCharakterzeichnung rechtfertigt das. Gleichzeitig aber bedeutet esdie äußerste Entfernung von dem, was in der Forderung nach„Handlung" auf der Bühne berechtigt ist. Es geschieht wirklich znwenig — auch wenn wir das Geschehen keineswegs äußerlich imSinne eines lauten Ereignisses, sondern ganz innerlich im Sinneeiner Charakterentfaltung nehmen. Die eingelegten Debatten undIdyllen können für den Stillstand nicht entschädigen. Johannesist am Schluß noch etwas aufgeregter, noch etwas deprimierter alsim Anfang; aber bei kleiner Ursache könnte er sich auch schonfrüher das Leben nehmen. Diese uninteressante Anna Mahr nungar sollte sein Schicksal nicht entscheiden dürfen!
Aber um so höher hebt sich der Dichter in der großen Volks-tragödie der „Weber" (1892). Hier liegen wirklich die Anfängeeiner neuen großen dramatischen Kunst. Unfrei noch, durch zueuge politische Tendenz beschränkt und mehr noch durch die ästhe-tische Eigenart der neuen Schule, zeigt sich doch hier zum ersten-mal ein lebendiger Ansatz zu dem, was die Zeit fordert: zu einemVolksdrama großen Stils. Was Gottfried Keller mit heißem Ver-langen ersehnt, als er am Mythenstein die Schillerfeier der Wald-ftätte miterlebte, das ist allmählich immer weiteren Kreisen ein Be-dürfnis und eine Hoffnung geworden. Schwerlich ging der ParadoxeStrindberg diesmal fehl, als er vor seinem „Fräulein Julie " dieZukunft des Theaters in zwei divergenten Richtungen sah: in demmit großem breitem Pinsel Fresken auftragenden Volkstheater undder für die intimsten Wirkungen berechneten Salonbühne —„Schmetter- und Flüstertheater" hat es Bierbaum mit groteskem,aber bezeichnendem Ausdruck genannt. Für uns Deutsche stehenSchiller uud Goethe am Eingang beider Wege. „Einsame Menschen"ist ganz ein leises Kabinettsstück für Kenner — aber solche Stücke gabes längst, vor allem bei Ibsen . „Die Weber" ist ein mächtiges Volks-stück für die große Zuhörerschaft — und das erste seiner Art. „Wil-helm Tell ", „Der Prinz von Homburg", auch Grabbes letzte Versuchedürfen wir als Vorläufer ansehen — aber noch nicht als wirkliche