gg8 1890—1899.
Klangs beim Lesen gewirkt; vor allem hat sein prächtiges Werkchen„Vom deutschen Sprachunterricht" (1867) seit der zweiten Auflage(1879) in Schulen und bei Lesern eine lebendige Saat ausgestreut,und andere Sammlungen („Aufsätze und Vorträge" 1890; „Beiträgezum deutschen Unterricht", herausgegeben 1897) brachten neue Frucht.Immerhin blieb Hildebrauds Einfluß doch wesentlich auf solcheLeser beschränkt, die sich berufsmäßig mit der deutschen Sprachebeschäftigten. Weitere Kreise zog schon das berühmte Buch „Vompapiernen Stil" (1889) von Otto Schroeder (geb. 1857). Ihmkam es vor allem auf die Nrwüchsigkeit der Rede an; das lahme un-gefühlte Deutsch mit seinen hölzernen „derjenige", „welcher" als Re-lativ, „derselbe", mit seinen pedantischen Unterscheidungen und grobenGleichsetzungen verletzte seine originelle Künstlernatur so gut wieseine historische Kenntnis. Er ging noch energischer, angreifendervor als Hildebrand; es genügte doch noch nicht. Die Zeit ver-langte einen Mann mit eisernem Besen; die feinsinnigen Interpreten,die klngen Wortwähler genügten nicht. Befehle wollte man. DieZeit war verstimmt durch die „Anregnngen", die man ihr zwanzigJahre lang geboten hatte; um sich konzentrieren zu könuen, verlangtesie kommandiert zu werden. Das wußten sogar die Meister derReklame, die uns jetzt mit den berühmten „Imperativen" anschrieen:„Schmücke dein Heim", „Koche mit Gas", „Bade zu Hause" riefman uns vom Morgen bis Abend zu, als sei dann alles Erden-heil erreicht; etwa im Ton von: „Thuet Buße uud bekehret euch!"Der neue Sprachdiktator machte es ihnen nach. Ohne Ehrfurcht vorden größten Meistern der Sprache, ohne Rücksicht auf die historischeEntwickelung, ohne Feinheit des Verständnisses entwarf Wustmannsein grammatisches Strafgesetzbuch — und man war entzückt. Es hatteauch seine Vorteile, daß der Angriff der Sprachverbesserer jetzt aufein paar augenfällige Mängel konzentriert wurde. Jetzt endlichwurde die ganze schreibende Welt aufmerksam; man studierte diesBüchlein, uud in gewissen Punkten ward unzweifelhaft dadurch einFortschritt erzielt. Man schreibt jetzt vielfach sauberer als früher,wenn auch nicht kräftiger; und daß man überhaupt in Kreisen,wo sonst das erste beste Wort genügte, sich wieder Mühe giebt, istan sich ein Segen.
Auch in dieser neuen Aufmerksamkeit auf das Werkzeug derSprache liegt ein Zeugnis für den Geist des Jahrzehnts. EineAbkehr von lässigem Gehenlassen liegt auch in der größeren Sorg-