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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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887
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Sprachpädagogen. 887

schon hat das erkannt und für sein Gedicht ausgebeutet". (Homer ").Daß Autoren, die sonst gerade wegen der Pflege ihres Stiles be-rühmt sind, solche Menschlichkeiten begegnen, hat an sich nicht vielzu sagen; schlimmer ist es, daß der Leser, auch wenn er Kritikerist, bei uns gleichmütig über solche Entgleisungen wegliest, die inFrankreich sicher, in England wahrscheinlich der sorgsamere Recensentsofort bemerken würde. Noch duldsamer als gegen solche Ver-fehlungen im Ausdruck war man bei uns nur zu lange gegen dashölzerne, steife, nicht gerade Unsinn ergebende, aber doch auch nienach dem treffenden Ausdruck suchende Alltagsdeutsch sehr vielerSchriftsteller. Wir hatten schon schlimmere Zeiten gehabt; so vielauch über unser heutiges Zeitungsdeutsch gescholten wird besserist es als das der Gutzkowischeu Periode. Was für Stilblütenhebt Kreyssig aus Gutzkows eigenen Hauptromanen heraus!DieJokeys bilden sich zu einem Verein".Eine schmutzige Hand wühltim Schrank und tritt alles, was ihr vorkommt, mit Füßen". Be-sonders bezeichnend für die wütende Hast, mit der Gutzkow schrieb,sind die schrecklichen Verbalsubstantiv«:das Sucheumüssen einesFreundes";das Ubergetretensein zur protestantischen Religion";und so sagt er gar:das Ratsame, warum Lucinde fortgegebenwerden mußte". So schreibt weder Jordan noch Hopfen und kaumVacano. Aber immerhin es war schlimm genug. Statt kräf-tiger Wendungen unbestimmte Phrasen, keine Nuance, kein indi-vidueller Stil; vor allem keine Anschauung. Das verbindetjene groteske Metapher du Bois-Reymonds mit dem leeren Re-porterstil: hier wie dort wurde das fertige Material der Spracheganz dilettantisch, roh, aufs Geratewohl gebraucht. Beschäftigte sichciumal ein Dichter näher mit dem Sprachmaterial, so bewies ernur um so deutlicher, wie er seiner Vatersprache entfremdet war;so Robert Hamerling .

Gegen diesen Unfug hatten sich nun zwar längstgelehrte deutscheMänner, der deutschen Rede Kenner" erhoben und hatten sich auchwiederholt schon in patriotischen Vereinigungen zusammengefunden; diegrößte Wirkung erreichte der auf Hermann NiegelsMahnruf" (1885)gegründeteAllgemeine deutsche Sprachverein ". Die Haupt-arbeit fiel aber, wie immer, Einzelnen zu. Vor allen wirkten zweibewährte Schulmänner. Rudolf Hildebrand (18241894) hatals Docent, in Zeitschriften, in Büchern unablässig für die Belebungder Anschauung beim Sprechen und für die Beachtung des