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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18901899.

Freilich thut er auch wohl des Guten zu viel, künstelt, bringtzu viel heran. Gleich den Romantikern übertreibt er das Vertrauenauf die Sprache und hält Wortspiele für Orakel, oder er treibtSport mit Symbolen. Romantiker war er vor allem auch in derUnfähigkeit zum Schaffen abgerundeter Kunstwerke. Als er40Lieder von einem Deutscheu" (1891) erscheinen ließ, erschrakendie Bewunderer der großen Rhapsodie über die furchtbare Prosadieser Reimereien:

Du ringst die weißen Arme

Und niemand sieht dir zu;

Du seufzest herzgebrocheu

Und kommst doch nicht zur Ruh . . .

Bereits im nächsten Jahre ward ein anderer litterarischerAlarmschuß mit wirklicher Aufregung aufgeuommeu. Der sächsischeLitterarhistoriker Gustav Wustmaun (geb, 1844 in Dresden ) ließin seinenAllerhand Sprachdummheiten" (1891) ein strenges Ge-richt ergehen über eine einzelne Seite jener allgemeinen Verwahr-losung, die Langbehn aufs Korn geuommen hatte: über die Ver-lotterung im Sprachgebrauch. Die Verunchlüssigung der Sprachebestand; nnd die Brüder Hart hatten schon bei unserm gefeiertstenRomanschriftstellern Sätze aufgestochen wie diese:Für das, wasich auf einem anderen Schauplatz that, zu lebenslänglicher Ge-fangenfchaft begnadigt, müßten Sie erst das seltsame Geheimnisverstehen, die Zahl meiner Tage zu vergrößern, wenn Sie mir dieQual meines Kerkers verlängern wollen" (Spielhagen,Die vonHohenstein");er sah durch die blaue Brille, die er neben sich aufdem Tische liegen hatte, in die Landschaft hinaus" (Heyse ,Kinderder Welt"). Wenn Autoren, deren Stil man rühmt, so schreiben,durften wir uns über die Sätze bei Jordan oder Kretzer kaumwundern. Öffentliche Festreden, populärwissenschaftliche Bücher,Zeitungsartikel selbst von berühmten Federn bieten noch Schöneres.Könnte Leibniz, auf seinen eigenen Schultern stehend, heut unsereErwägungen teilen . .", sagte du Vois-Neymond in feierlicher Fest-sitzung der Akademie (Die sieben Welträtsel"), oder Julius Noden-berg:Hier, ein Vierundzwanzigjähriger, wie ich selber, hat Jo-achims Geige mich zuerst bezaubert." Der Theolog Nocholl sagt:Sie starb abwesend zu Rom"; der Essayist Herman Grimm :Viele Sonaten Beethovens , wenn man sie deuten wollte, scheinendas Durcheinandcrwühlen solcher Empfindungen darzustellen. Homer