Neue Zeitschriften. —
„Rcmbrmidt als Erzieher".
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sagen. Als ein konfuses Gerede über allerhand Dinge wird es ge-schildert, wobei der Verfasser von Zeit zu Zeit immer wieder denNamen Nembrandts nenne... Ich wage noch heut zn behaupten:es war ein bedeutendes Buch, und es war eine That.
Energisch genug setzte der Schüler Nietzsches — dessen „Schopen-hauer als Erzieher" den (vielfach nachgeahmten) Titel bestimmt hatte —und besonders Lagardes ein: „Es ist nachgerade zum öffentlichenGeheimnis geworden, daß das geistige Leben des deutschen Volkes sichgegenwärtig in einem Znstande des laugsamen, einige meinen auch desrapideu Verfalles befindet." Die Verflachung schalt er, das oberflächlicheBehagen, die breite Roheit des „gesunden Menschenverstandes", der andas nicht glaubt, was er zu grob zu fühlen ist; vor allem aber dasHerunterkommen der Persönlichkeit. Was er wollte, war dasselbe, wasals Bannerträger des Juugen Deutschland einst Wienbarg geforderthatte: ein neues Leben als Grundlage einer neuen Kultur. Neue Kunst,neuen Staat, neuen Glauben, Auffrischung des echten Volksgeistes,Neubelcbung seiner natürlichen Grundelemente — alles das erhoffteer von einer Durchbildung der Persönlichkeiten. Stil forderte er;Stil zu fordern ward ein Glaubensartikel dieser Zeit. Das be-wunderte sie an Böcklin und Richard Wagner , das ehren wir anStefan George und Nicarda Huch: daß sie Stil haben, daß jedeLinie mit ihrer Persönlichkeit untrennbar verbnnden ist. Langbehn,ein Bewunderer Bismarcks wie nur einer, stellte doch als typischesVorbild nicht ihn hin, sondern Rembrandt , den großen germanischenMaler. In seiner Persönlichkeit suchte er wie in einem Brenn-punkt alles zu versammeln, was die Zeit entbehre und verlange;als ein „Gleichnis alles Wünschenswertesten" stellte er den — etwaneben dem Romanen Michelangelo — persönlichsten aller Künstlerin den Mittelpunkt und schritt nun in rastloser Betrachtungauf und ab, um immer wieder von seiner Sehnsucht zu seinemIdeal, von seinem Ideal zu seiner Sehnsucht zu kehren. Heroen-kttltus trieb er im Dienst der Gegenwart, und Zeitfragen suk spseiskstsrni. So entstand ein wunderliches Buch, rhapsodisch, lyrisch-didaktisch. Es sind freilich nicht Melodien, die man leicht nach-pfeifen kann, sondern eine „uueudliche Melodie" im Sinne RichardWagners , und Nembrandts Name ist nur das Stimmung gebende,einigermaßen willkürlich gewählte Leitmotiv. Aber alle echten Töneder Zeit klingen an: die freie Kritik —und der Heroenkultus; dieÜberschätzung der Rasse — und die Andacht zur Kunst.