898
1830—1899,
Fast scheint auf diesen jnngen Kräften der Fluch zu lasten,mit einem Werk und meist mit einem Jugendwerk sich zu veraus-gaben. So ging es Hirschfeld, beinahe so Ricarda Huch undWalter Siegfried. Als Dramatiker hat auch eine so starke Be-gabung wie Schnitzler nur einen großen Treffer zu verzeichnen.Bis jetzt! denn, wie es am Schluß der Xenien heißt:
Ihr Freier lebt ja noch alle.Hier ist der Bogen und hier ist zu dem Ringen der Platz!
Jene lyrische Erweichung, die wir bei den jungen norddeutschenDramatikern erst uuter dem starken Druck der neuen Verhältnissereifen sahen, lag den Österreichern von vornherein im Blut. Rau-pachs Rührstück „Der Müller und sein Kind" gehört noch heutedort zu der unentbehrlichen Feier des Allerseelentages; Naimnndhat Valentins Hobellied gedichtet, Nestroy selbst hat sentimentaleEffekte nicht immer verschmäht, Anzengruber sie im „Pfarrer vonKirchfeld" und dem „Vierten Gebot" sogar aufgesucht. Bei denNeuesten kommt, wie man mehrfach bemerkt hat, vielfach noch einTropfen specifisch jüdischer Sentimentalität hinzu, wie auch Hirsch-feld ihn aufweist: die Nachwirkung des Druckes von Jahrhundertenwird durch modernste Erfahrungen aufgefrischt. Bei Jakob JuliusDavid (geb. 1359 im Kuhländchen) ist in den größeren Erzäh-lungen („Höferccht" 1890, „Blut", seinem Hauptwerk, 1891) undGedichten (1891) die alte Tradition, wie sie etwa noch Ferdinandvon Saar trotz modernen Anklängen vertritt, stärker als die juugeRichtung. Aber er zeigt in seinen Novellen („Probleme" 1892)und Dramen („Hagars Sohn" 1891, „Ein Regentag" 1895) eineentschiedene Annähernng an die weich einfühlende, gleichsam mitärztlicher Hand auskultierende uud behandelnde Manier, die vor allenArthur Schnitzler (geb. 1862 in Wien ) vertritt — ein PraktischerArzt, der auch in der Stoffwahl seiner Novellen („Sterben" 1895)und Dramen („Paracelsus" 1898) das Interesse für medizinischeGegenstände, für Hypnotisieren („Anatol" 1893) nicht verleugnet.Die nahe Verwandtschaft zwischen der modernen Novelle und demmodernen Drama, die wir auch bei Hauptmann, Hirschfeld, Nos-mer, Halbe, Ruederer, Anna Croissant-Rust treffen, tritt bei ihmbesonders deutlich hervor: beide schildern jetzt ,Äats äams", beidemit den Mitteln feiner Analyse der inneren und realistischer Zeich-nung der äußeren Umstände, beide lieben eine gewisse elegischeFormlosigkeit, ein sanftes Verfließen ins Nichts.