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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18901899,

Wiederholt in Gedichten diesem Gedanken Ausdruck gegeben unddas Schicksal ist das Stärkere. Aber dieser Kampf, mag er immervernichtend sein, ist der starken Seele Notwendigkeit; denn nur imKampf kann sie sich bewähren, nur im Kampf ihr Recht findendie deutscheste aller deutscheu Gruudideen.Es war nicht", schreibtRicarda Huch von Karoline Schlegel ,daß sie großartigere Ver-hältnisse ersehnt hätte; aber ihre starke Natur verlangte unbewußtnach Geschicken, die sie bilden und entwickelu könnten; denn derGenius des Menschen will immer, was ihn fördert, und ringt sogarUnglück herbei, wenn der Mensch es braucht und daher ein Anrechtdarauf hat."

Das ist der beste Kommentar zuLudolf Ursleu " (1893).Ein Geschlecht von stolzen Adelsmenschen wird uns vorgeführt indem, freilich keineswegs realistisch geschilderten, sondern stark ro-mantisch stilisierten Milieu Hamburgischen Patrizierlebens. Siekönnten glücklich sein, wenn sie sich mit dem Leben im äußerenSinne des Wortes abzufinden wüßten. Aber das können sie nicht.Durch lange Überlieferung hat sich in ihnen ein Vorrat von Bega-bungen und Ansprüchen aufgespeichert, dem eine rnhige Existenz zu engist. Ihre starken Naturen verlangen unbewußt nach Geschicken, die siebilden uud entwickeln könnten. Sie haben ein Anrecht auf dasUnglück, denn nur dies kann die ganze Tiefe der in ihnen schlum-mernden Fähigkeiten erwecken. Ihre Sehnsucht nach starken, denMoment mit ewiger Dauer erfüllenden Eindrücken verlangt nachtiefen Erschütterungen; sie werden ihnen, bis zur Vernichtung.

Mit fast symbolischer Geltung stehen zwei Hauptgestalten wiedie Brennpunkte einer Ellipse einander gegenüber: Galeide, die be-strickende Schönheit selbst und Gaspard, die gesammelte Kraft.Gaspard ist der starke Willen: jeden Augenblick ganz auf das Zielkonzentriert;überhaupt stellte er in jedem Augenblick ein abge-rundetes Charakterbild seiner eigenen Person dar." Er ist immerganz er selbst; beim Beten wie bei jenem Aufleuchten der Freude,das Ricarda Huch wundervoll schildert:Weil ich ihn genau be-obachtete, sah ich auf seinem dunklen Gesichte eine weiche Regungvon Glück, die an dieser Stelle etwas ungewöhnlich Schönes hattewie ein Strahl himmlischen Lichtes, der durch eine Spalte in dastrübe Gemach der Hölle fällt." Oder, noch schöner:Wenn erlächelte, that sich unverhofft eine solche Lieblichkeit in seinem dunklenGesicht auf, daß man leicht dazu kam, dies und jenes anzustellen,