Druckschrift 
Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
Entstehung
Seite
65
Einzelbild herunterladen
 
  

DIE FRAUEN BEI THEOPHRAST UND HUGO VON ST. VIKTOR 65

phrast als Eideshelfer ihrer der Ehe abgeneigten Haltung angerufenhaben. Erst mit der Renaissance an dieser Stelle ihrer großen Kampf-front steht Francesco Barbaro geht eine Wandlung vor sich. Um denganzen Gegensatz der Renaissance gegen mittelalterliche Anschauungenauf diesem Gebiete zu kennzeichnen, mögen die Worte des zartestenund hebenswürdigsten der gelehrten Mönche dienen, des Hugo von SanktViktor . Seine beiden Bücher über die Ehe (DE NUPTIIS 6 ) empfehlensich auch deshalb für eine Gegenüberstellung zu Barbaros Werk, weilvon ungefähr eine Ähnlichkeit des Anlasses besteht, dem beide Werkeihren Ursprung verdanken. Zu Hugo ist ein Jüngling gekommen mitder Gewissensfrage, ob es für ihn gut sei, zu heiraten. Dieselbe Fragestellt sich und seinen Altersgefährten, die vor der wichtigen Lebensent-scheidung stehen, der junge Barbaro. Die Antworten fallen recht ver-schieden aus, und selbst wenn man den Mönchsstand des mittelalter-lichen Verfassers im Auge behält, läßt sich nirgends ein größerer Wandelim Gehaben und in der Gesinnung der Zeiten aufweisen. Hugo sprichtzu seinem Freunde aus der Stille seiner Klosterzelle: «Solange ich dich,Liebsten, von den Fluten dieser Welt getrieben sehe, fürchte ich, dumöchtest unter der Last des Reichtumes oder im Ungestüm der Jugendin die Gefahr des Schlundes der Scylla hineinlaufen. Frauenliebe ist wieTodesschlund, wie schlingende Woge. Frauenhebe bindet um so fester,wenn sie durch unauflöslichen Knoten der Ehe schnürt. Lassen wiralso das Ende des geistigen Seiles herab, daß du daran heraufgezogenund nicht von den Fesseln der Ehe festgehalten werdest. Das Ende desgeistigen Seiles ist aber die Predigt heiliger Ermahnung. Höre also, Ge-liebter (dilecte mi), welches die Beschwerlichkeiten der Ehe sind, undberuhige dich bei dem Zuspruch nicht der nur philosophischen, sondernauch der göttlichen Männer.» So der Prolog Hugos. An der Spitze seinerZeugen für die Beschwerlichkeiten des Ehestandes steht Theophrast ,dann Cicero, der seine Gemahlin Terentia verstoßen hatte. Als ihm danachHirtius die Hand seiner Schwester anbot, lehnte Cicero mit denselbenWorten ab wie die griechischen Philosophen, er könne sich nicht gleicher-weise mit Philosophie und einer Frau beschäftigen. Ferner erwähnt Hugoeinige der berühmtesten Männer, die alle schlechte Frauen gehabt haben:Sokrates, den Zensor Marcus Cato und König Philipp von Mazedonien.

5